Musik im Museum
43:58 Minuten
Musikgeschichte ist Menschheitsgeschichte. Sie erzählt uns von technischen Errungenschaften, Moden und Mentalitäten. Was aber passiert, wenn uns der Rhythmus in die Beine fährt? Oder ein neuer Hit nicht mehr aus dem Ohr geht? Und wie lässt sich dieses Phänomen ausstellen?
Anlässlich des 250. Geburtstag Beethovens in diesem Jahr hat das Bonner Landesmuseum die Ausstellung "Music!" zusammengestellt. Ein experimentelles Umfeld aus Installationen und Mitmach-Stationen, Klaviaturen, Touchscreens oder kleinen Soundmaschinen, in das sich Mikrokosmos-Autor Manuel Gogos hineinbegibt um zu erfahren: Wann begannen Menschen eigentlich damit, Musik zu machen, und warum? Und wie lässt sich so etwas Nichtstoffliches wie Musik überhaupt im Museum ausstellen?
Beethoven aus neuer Perspektive hören
Im Beethoven-Pavillon kann sich das Publikum selbst in einen stilisierten Orchestergraben setzen und einem Satz aus Beethovens 9. Sinfonie aus der Position der verschiedenen Musiker lauschen: Wie klingt es, wenn ich die erste Geige bin? Was hört man auf der Position des Horns oder der Pauke mit ihren endlosen Pausen? Bonns Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Beethovenorchesters, Dirk Kaftan, ist begeistert von dieser Idee: "Was wir Musiker machen ist in der Regel nichts Greifbares. Wir arbeiten auf eine Aufführung hin, und dann ist alles Schall und Rauch. Als Besucher dieser Ausstellung kann man in das Herz des Orchesters vordingen, in die Poesie; je nachdem, wo sie sitzen, kann das aber auch das Erlebnis einer Darmspiegelung sein."
Nur keine Hemmungen
Aber man beschränkt sich in Bonn nicht auf klassische Musik. Die Ausstellung gibt dem Autor auch die Gelegenheit, "von Beethoven bis Beyoncé", wie es in der Ankündigung heißt, eine Zeitreise durch die Musikgeschichte zu machen – und zwar mit vollem Körpereinsatz. An einer Tanzstation können die Besucher den "Whipdance" der 2000er probieren, klassischen Hip-Hop von MC Hammer aus den 1990er-Jahren tanzen oder auch Charleston und klassisches Ballett zumindest nachahmen. Ganz begeistert sind die Ausstellungsmacher auch von ihrer Variante des "Carpool Karaoke": Hier kann man in ein echtes Auto einsteigen und zum Beispiel "Boehmian Rhapsody" von Queen singen, was auch unser Autor mit Leidenschaft tut.
Die Ausstellung könnte also auch den Untertitel "Nur keine Hemmungen" tragen. Mitmachen ist zwar eine größere Herausforderung als nur Zuschauer zu bleiben, es macht aber auch sehr viel Spaß und lässt einen die Musik viel körperlicher wahrnehmen, meint Mikrokosmos-Autor Manuel Gogos. Sein einziger Kritikpunkt ist die schiere Masse an angesprochenen Themen, die die Ausstellung an manchen Stellen etwas oberflächlich erscheinen lässt. Kuratorin Anne Segbers verteidigt das so: "Wir hatten tatsächlich 1.000 Ideen. Und dann muss man sehen, was funktioniert. Wir brauchen eben die ‚Killer-Exhibits‘, die richtig Spaß machen und vor denen sich Schlangen bilden."
Musik als Überlebensvorteil
Musik ist nur ein "akustischer Käsekuchen", das hat der Psychologe und Linguist Steven Pinker gesagt. Ein Luxusprodukt also für unsere Sinne, das wir zum Überleben aber eigentlich gar nicht benötigen. Charles Darwin war da anderer Meinung. Er ging davon aus, dass Musikalität einem Menschen einen klaren Vorteil bei der Partnersuche verschafft. Eckart Altenmüller, Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musiker-Medizin der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, sieht das so:
"Musik ist ein uraltes Kommunikationsmittel. Musik war auch ein mächtiges "Koalitionssignal", das durch gemeinsame Gesänge und Tänze die Gemeinschaft zusammengeschweißt hat, vor dem Kampf oder einer schwierigen Aufgabe – dem Besteigen eines Berges oder dem Bauen eines großen Floßes."