Eine Lange Nacht über Frauen in der Manege - Freiheit - ein Drahtseilakt
Seilläuferinnen und Kraftartistinnen traten seit jeher auf Jahrmärkten auf. Als der Kampf um das Frauenwahlrecht begann, gaben die Artistinnen ein Beispiel für Wagemut und Geschicklichkeit.
Der Zirkus der Zukunft
43:55 Minuten
Moderner Zirkus ist mehr als nur Manege, Clownerie und wilde Tiere: Zeitgenössische Produktionen verstehen sich als eigene Kunstform, die auch politische Themen aufgreift. Ein Anspruch, den künftige Artistinnen und Artisten in der Circartive lernen – einer von zwei Zirkusschulen in Deutschland.
Wer im schwäbischen Gschwend seinen Traum vom Artistenleben verwirklichen will, braucht zunächst vor allem eines: Durchhaltevermögen. Denn die Ausbildung startet nach dem regulären Schulunterricht am Nachmittag, wenn alle Hausaufgaben erledigt sind. Täglich treffen sich rund 20 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in der Trainingshalle der Circartive, um die Grundlagen der Zirkusartistik zu erlernen: Jonglage, Seiltanz, Akrobatik und Luftartistik. Die angehenden Künstlerinnen und Künstler erbringen nicht nur körperliche Höchstleistungen, sondern sollen an der Schule auch erlernen, wie die moderne Inszenierung einer Zirkusshow funktioniert.
"Wir arbeiten für den zeitgenössischen Zirkus", erklärt Schulleiter Sven Alb, "und da ist die Grundregel, dass Darstellung immer vor der Artistik steht. An der reinen Technik bin ich nicht interessiert, ich frage mich immer: Welche Emotion, welchen Gedanken kann eine artistische Nummer dem Publikum mitgeben? Unser Zirkus soll etwas erzählen, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen."
Vor 17 Jahren hat Alb, ein ausgebildeter Theater-, Zirkus- und Sozialpädagoge, die ehemalige Familienerholungsstätte bei Gschwend gemeinsam mit seiner Frau gekauft. Seitdem hat er das Gebäude nach und nach renoviert, hat Zelte bauen lassen sowie eine großzügige Turnhalle. Heute ist die Circartive eine von zwei Orten in Deutschland, an der Jugendliche sich in drei Jahren zum staatlich anerkannten Zirkusartisten ausbilden lassen können.
Der Zirkus als Forschungsobjekt
In Deutschland, sagt Alb, sei dieser zeitgenössische Zirkus noch gar nicht angekommen, hier herrsche immer noch das alte Bild von Zirkus: Popcorn, Manege, wilde Tiere, Clowns. Doch mit dem Zirkus, den Alb in Gschwend lehrt, hat das nicht viel zu tun.
Der Zirkus als zeitgenössische Kunstform steckt in Deutschland tatsächlich noch in den Kinderschuhen, bestätigt die Germanistin Franziska Trapp von der Universität Münster. Sie gehört zu einer Gruppe von Forschenden, die in Deutschland die Zirkuswissenschaft als eigene Disziplin etablieren möchte. Trapp hat dafür eine Methode zur Aufführungsanalyse entwickelt, weil sie davon überzeugt ist:
"Zirkus ist Teil der Gesellschaft und Teil der Kultur. Er entwickelt sich mit der Gesellschaft. Und darum ist es interessant, Zirkus zu erforschen."
Die Wissenschaftlerin verweist auf Frankreich, wo dem zeitgenössischen Zirkus ein besonderer Stellenwert innerhalb der Kulturlandschaft eingeräumt und er staatlich gefördert wird.
Als Artist stehen einem viele Türen offen
Von solcher Unterstützung können die Auszubildenden an der Circartive auf absehbare Zeit nicht profitieren. Sie wollen dennoch am großen Traum vom Artistenleben festhalten, wie etwa der 17-jährige Absolvent Johannes. Er räumt Sorgen um seine berufliche Zukunft zwar ein, gibt sich aber optimistisch: Als selbständiger Artist gebe es viele Möglichkeiten Geld zu verdienen.
"Zum einen natürlich in Kompanien, zum anderen aber auch als Trainer in Kinderzirkussen oder als Act auf Hochzeiten oder Stadtfesten."
Und die Forscherin Franziska Trapp unterstreicht: Zeitgenössischer Zirkus sei auch in Deutschland vermehrt zu finden. Man dürfe eben nur nicht nach dem Zirkuszelt Ausschau halten. Stattdessen seien anspruchsvolle zeitgenössische Zirkusproduktionen heute vor allem in den Theatersälen zu finden.