Coronavirus - Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
Wie viele gemeldete Coronavirusfälle gibt es in Deutschland? Verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus, wie entwickeln sich die Fallzahlen international? Wie die Zahlen zu bewerten sind – ein Überblick.
Geld allein reicht nicht
43:50 Minuten
Man weiß erst, was man hatte, wenn man es verloren hat. Selten wurden Kunstschaffende mit so viel Aufmerksamkeit bedacht wie zur Zeit des kulturellen Stillstands. Aber inwiefern hat dieser ungewohnte Fokus der Kultur tatsächlich geholfen? Eine Zwischenbilanz aus dem ärmsten Bundesland Deutschlands, Bremen.
Erwing Rau sitzt an einem Biertisch und spricht mit seinen Kollegen vom "Bremer Tourneetheater" über die Generalprobe, die sie gerade hinter sich haben. "An der Corona-Bar" heißt das Stück, das sie morgen zum ersten Mal aufführen werden. Der Aufführungsort ist kein Theater, sondern ein Fußballplatz, das ist zwar etwas ungewöhnlich, hat aber den Vorteil, dass alle Abstand halten können und an der frischen Luft sind.
Es ist das erste Mal, dass das "Bremer Tourneetheater" seit dem Lockdown wieder zusammen auftreten wird. Erwing Rau sagt, das sei "der Kuss, den Dornröschen bekommt, womit die Ohrfeige des Küchenchefs an den Küchenjungen widerhallt, der König beendet seinen Rülpser, also bisschen diese Situation, nach 100-jährigem Schlaf kriegt man einen Kuss." Sein Kollege Jarno Stiddin stimmt ihm zu: "Der Dornröschenschlaf ist zu Ende."
Endlich wieder auf einer Bühne stehen
Aber auch wenn die Mitglieder des "Bremer Tourneetheaters" das Theatermachen sehr vermisst haben, so haben sie es in der kleinen Hansestadt als soloselbstständige Kunstschaffende noch gut getroffen, findet die Leiterin des Ensembles, Sissi Zängerle:
"Ich in Bremen hatte auch das Glück, Künstlersoforthilfe zu bekommen und das lief sehr auf Augenhöhe zusammen mit der Kulturbehörde und dann auch politische Entscheidungen, die es möglich gemacht haben, dass wir nicht Hartz IV beantragen müssen. Und jetzt schätzen wir uns natürlich glücklich, das machen zu können, aber natürlich bleibt die offene Frage, was ist, wenn es zu kalt wird, zu kalt für Open-Air-Veranstaltungen."
Es geht darum, ein Zeichen zu setzen
Wie soll es im Winter weitergehen? Das ist eine Frage, die sich auch Clubbetreiber Michael Pietsch stellt. Er ist der Chef des kleinen Clubs "Lila Eule", der schon seit März geschlossen hat. Diesen Sommer veranstaltete er deshalb unter dem Titel "Lila Laube" Open-Air-Konzerte auf einer Insel in der Weser. Trotz des guten Zuspruchs bringe ihm das zwar kaum Geld, erzählt er, aber es ginge ihm ohnehin eher darum, ein Zeichen zu setzen:
"Wir sind noch da und Kultur ist auch noch da. Und ich glaub schon, dass die Menschen sich entfremden können, auch von Live-Veranstaltungen entfremden können, insofern muss sowas am Leben gehalten werden, denn ansonsten werden sich Menschen nur noch Netflix und andere Alternativprogramme antun und Live-Musik wird dann irgendwann aussterben, und vor allem kleine Clubs, die wird es dann nicht mehr in der Vielfalt geben, wie es sie heute gibt."
Pietsch hat bislang keine Zuschüsse bekommen und selbst wenn es noch klappen sollte, befürchtet er, dass das Geld nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn sich finanziell nichts tut, rechnet er damit, dass er spätestens im Dezember Insolvenz anmelden muss. Viele seiner Mitarbeiter haben sich schon nach neuen Jobs umgesehen und räumen jetzt beispielsweise Regale in Supermärkten ein.
Der Enthusiasmus im Publikum ist größer geworden
Trotz allem will Veranstalter Michael Pietsch Musikern mit der "Lila Laube" weiter eine Bühne bieten. Zum Beispiel Ann Doka und ihrer Band, die heute erst zum dritten Mal in diesem Jahr gemeinsam auftreten. Sie finden, dass sich die Atmosphäre ihrer Konzerte durch die Pandemie positiv verändert hat: "Der Enthusiasmus war größer. Das heißt, die Freude mal wieder irgendwo hingehen zu können, war bei allen deutlich spürbar. Und auch die Freude wieder zusammen spielen zu können war größer." Andererseits fehlt das ausgelassene, gemeinsame Tanzen vor der Bühne, was sowohl Publikum als auch Band zu spüren bekommen, nachdem die Sonne untergegangen ist und es doch ziemlich kalt wird.
Zurück auf dem bremischen Festland: Hier bereitet das Künstlerduo Rebekka Kronsteiner und Francisco Valenca Vaz in der Galerie "MMS Offspace" die erste Ausstellung vor, die wieder für Besucher zugänglich sein wird. Dazu sind drei Künstler aus ganz Deutschland angereist.
Kunst am Existenzminimum
Francisco Valenca Vaz erzählt, wie schwer die ersten Monate der Pandemie für ihn als ausländischen Studierenden waren: "Die Hochschule war geschlossen, meine Arbeit war auch geschlossen, also man konnte erstmal nichts machen. Ich will das nicht überdramatisieren, aber man hat immer mit der Angst gelebt, ob noch Geld aus der Kreditkarte kommt. Existenziell war ich tatsächlich kaputt."
Weil ihre Ateliers in der Hochschule nicht zugänglich waren, haben die beiden ihren Arbeitsplatz kurzerhand in die "Galerie Mitte" gelegt, nur wenige Meter von ihrem eigenen Ausstellungsraum dem "MMS Offspace" entfernt. Hier hatten sie ohnehin eine Ausstellung geplant, mussten aber wegen Corona ihr Konzept ändern. Unter dem Titel "Wir sind für Sie da" haben sie im ersten Teil der Ausstellung hinter einem Vorhang gearbeitet – anwesend, aber nicht sichtbar für das Publikum. Rebekka Kronsteiner erzählt, wie sie auf den Namen für die Ausstellung gekommen sind: "Die Ausstellung heißt so, weil die Ausstellung während Corona stattfindet, das heißt alles ist weiterhin für die Kunden da, nur die Kunst- und Kulturszene verschwindet."
Kultur ist für Sie da
Nun zeigen die beiden die Werke, die hinter dem Vorhang entstanden sind. Zum Beispiel einen riesigen schwarzen Teppich, den Rebekka Kronsteiner aus Teichfolie gewebt hat und der an den Vorhang erinnern soll, hinter dem sie gearbeitet haben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten läuft es für die beiden Kunstschaffenden jetzt richtig gut. Auch weil Francisco Valenca Vaz schließlich doch eine Förderung vom Studierendenwerk bekommen hat und beide bereits einige Werke aus der Ausstellung verkaufen konnten.
Stipendien als wichtiger Teil der Kulturförderung
Für das finanzielle Überleben während der Pandemie waren für viele freie Kunstschaffende die Zuschüsse vom Bund und den Ländern entscheidend. An vielen Stellen habe die Politik schnell gehandelt und die Kultur im Auge gehabt, aber nicht in allen Bundesländern, sagt Stephan Behrmann. Er ist freischaffender Schauspieler und Dramaturg sowie Sprecher der "Allianz der Freien Künste". An manchen Orten seien Künstler und Künstlerinnen in die Grundsicherung gerutscht und in eine Jobvermittlungsspirale geraten. Das sei für Kunstschaffende kein geeignetes Modell, weil sie trotz Lockdown gerne weitergearbeitet hätten, nur eben kein Geld damit verdienen konnten. Deshalb plädiert er für die Förderung von Solo-Selbstständigen durch ergebnisoffene Arbeits- oder Recherchestipendien.