Das Feature

Mrs. Oscar Wilde

Marusa Krese |
Produktion: Sender Freies Berlin/ Deutschlandfunk 2000
"Sie heißt Constance und ist noch ganz jung, sehr ernst und mystisch, mit wundervollen Augen und dunkelbraunen Locken: mit einem Wort vollkommen. Sie weiß, dass ich der größte Dichter bin, in der Literatur kennt sie sich aus." Oscar Wilde heiratet Constance Mary Lloyd im Mai 1884 in der St. James' Church, Paddington (London). Ein "Revoltierender im Namen der Schönheit" (Thomas Mann) heiratet eine streng viktorianisch erzogene, gebildete und zurückhaltende Frau.

Das Paar hat zwei Söhne, Cyril und Vyvyan. Aber die neue Rolle als Ehemann und Familienvater ist offenbar nicht nach Oscar Wildes Geschmack. Jedenfalls hat er in dem Jahr, in dem Vyvyan geboren wird, auch seine erste, verbürgte sexuelle Beziehung zu einem Mann. Später wird er Lord Henry in "The Picture of Dorian Gray" sagen lassen: "Männer heiraten, weil sie müde sind, Frauen, weil sie neugierig sind; beide werden enttäuscht."

Und als sich der "Tanz um das goldene Selbst" dem Ende zuneigt, nach Pranger, Haft und Exil, wird "Sankt Oscar, ein Playboy der westlichen Welt, ein homosexueller Märtyrer" (W. H. Auden), das Grab seiner Frau besuchen: "Ich war tief bewegt, unter anderem auch von dem Gefühl der Sinnlosigkeit aller Reue. Nichts hätte anders sein können, und das Leben ist etwas Schreckliches."