Der Friedrichstadtpalast

Revuefieber

43:47 Minuten
Weltpremiere von VIVID Grand Show in Berlin
Weltpremiere von VIVID Grand Show in Berlin © dpa/ picture alliance
Von Marietta Schwarz |
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Gleißendes Licht, ein bombastisches Bühnenbild, Akrobatik, betörende Musik und märchenhafte Kostüme. Das sind die Zutaten der erfolgreichen Bühnenshows im Friedrichstadt-Palast - der größten Theaterbühne der Welt. Und wie sieht es wohl hinter der Revue-Fassade aus?
"Diesmal gibt es kein Eis und kein Wasser", erklärt der Beleuchter Olaf Eichler, "dafür neueste Lasertechnik und die Toaster." Eichler trägt ein Headset und hat nur kurz Zeit. Vier Wochen vor Premiere laufen die Vorbereitungen zur neuen VIVID-Show auf Hochtouren. Die sogenannten Toaster sind Bühnenfahrstühle, die Darsteller und Gegenstände von der Unterbühne rasend schnell nach oben befördern, wie man es von Toastern so kennt.
Was später auf der Bühne passiert, hat mit Toast und Alltag überhaupt nichts mehr zu tun: Menschen in Schlangenkostümen verbiegen sich, dass es schon beim Zuschauen schmerzt. Darsteller in schwarzen Catsuits räkeln sich frivol am Boden, andere fliegen durch die Luft. Die Girlreihe bewegt synchron ihre Beine, wie es einst Siegfried Kracauer in seinem Essay "Das Ornament der Masse" schon beschrieb. Ein bisschen Zirkus, ein bisschen Varieté, viel Kitsch – daraus setzt sich die Rezeptur für die neue Show am Friedrichstadtpalast zusammen.
Kickline im Friedrichstadt-Palast.
© Brinkhoff-Moegenburg / Friedrichstadt-Palast
Der neueste Streich heißt VIVID und trägt den Untertitel "Eine Liebeserklärung an das Leben". Es geht um ein Mädchen, das sich vorübergehend in eine Androidin verwandelt und aus dieser Perspektive die Schönheiten des Lebens entdeckt. Von der kalten Techno-Welt geht es in die unberührte Natur und auch sexy ist es zwischendurch. Die Selbstfindungsgeschichte spielt am Ende keine große Rolle. Es zählt das Staunen der Zuschauer über die atemberaubenden Artistikeinlagen, Kostüme und das Bühnenbild.
Jungle Extravaganza im Friedrichstadt-Palast
Jungle Extravaganza© Nady El-Tounsy / Friedrichstadt-Palast
In der Kostümwerkstatt werden die letzten Swarowski-Steine geklebt. "Swarowski ist quasi das Synonym für Friedrichstadt-Palast", sagt Elisabetta Pian, die Kostümdirektorin. Ihre erste Show begleitete Pian 2012 als Assistentin von Christian Lacroix. Damals kam ihr die Ausstattung übertrieben vor, zu viel Geglitzer. "Aber als ich dann die Bühne sah, dachte ich: Mehr! Mehr!" Und dieses Mehr gilt für alle Bereiche am Friedrichstadt-Palast.
Kostümdirektorin Elisabetta Pian im Friedrichstadt-Palast.
Kostümdirektorin Elisabetta Pian© Dennis Weinbörner / Friedrichstadt-Palast
1.900 Plätze und die größte Bühne der Welt: Die Superlative sind Chance und Risiko zugleich. Denn zwei Jahre lang muss die neue Show zünden, 500 Vorstellungen möglichst ausverkauft sein. Wie macht man das? "Wir sind ein Volkstheater im besten Sinne", schmunzelt Intendant Berndt Schmidt. Alle kommen, "von der Bankdirektorin über das schwule Großstadtpärchen bis zur Supermarktverkäuferin".
Hausansicht des Friedrichstadt-Palastes
Hausansicht des Friedrichstadt-Palastes© Bernd Brundert / Friedrichstadt-Palast
Der Friedrichstadtpalast wirbt mit dem Slogan "Las Vegas in Berlin", beruft sich aber gleichzeitig auf die lange Revue-Tradition im seinem Vorgängerbau – dem Großen Schauspielhaus, an dem Max Reinhardt und Erik Charell wirkten. Im Vergleich zu früher, sagt der Musikwissenschaftler Kevin Clarke im Expertengespräch, sehe man gegenwärtig allerdings eher die "domestizierte Form" der alten Revues: Ein bisschen frivol, ein bisschen divers, im Großen und Ganzen aber doch sehr den gewohnten Schönheitsidealen verhaftet.
Clarke würde sich mehr Diversität auf der Bühne wünschen. Doch auch Erik Charell wusste schon: Eine Show mit zu vielen Ecken und Kanten kostet Publikum.