Der Musiker, Performer und Hörspielmacher Volkan T. Error

"Hauptsache, ich bleibe kredibil!"

10:45 Minuten
Volkan T. Error hält kampfbereit ein Mikro.
Er liebt die Provokation: Der Musiker, Performer und Hörspielmacher Volkan T., Volkan T. Error oder Volkan Terror. © Volkan T. Error
Von Sarah Murrenhoff |
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Ob Rap, Black Metal, Performances oder Hörspiele - Volkan T. macht, was er will, und lässt sich dabei von niemandem was sagen. Hauptsache, die Credibility stimmt.
Ausschnitt Rap: "Sprich Deutsch oder Stirb"
Wer hat das schon: Street Credibility und Ansehen im Kulturbetrieb? Er mag es, Grenzen zu sprengen: Volkan T., Volkan Terror oder Volkan T. Error – die Liste der Künstlernamen ließe sich fortsetzen. Und es ist, als verberge sich hinter jedem Namen eine weitere Identität. Die einen kennen Volkan T. als Rapper, der neben Figuren wie Killa Hakan die deutschtürkische HipHop-Szene mit aufgebaut hat. Andere kennen ihn als Performer aus der postmigrantischen Theaterszene in Berlin. Wieder andere kennen ihn als Metalhead. Oder als Hörspielmacher. Und er selbst? Macht sich null Komma null aus Schubladen.
Volkan T.:
Also, ich habe auch verschiedene Phasen in meinem Leben durchgemacht, wo man natürlich auch überlegt: Ist man zum Beispiel Moslem, ist man kein Moslem? Und das ist auch wie mit der Musik. Also ich hab das mit der Musik auch gemerkt immer: Wo gehört man hin? Weil viele Leute immer sagen, Du kannst nicht Metal machen, und Du kannst auch nicht HipHop machen. Das geht nicht, weil das sind grundverschiedene Sachen, genau so wenig wie Du Deutscher oder Türke sein kannst. Aber ich finde, es geht beides sehr gut. Und ich würde auch behaupten, dass ich in beidem auch sehr "kredibil" bin und dass mich auch die Leute akzeptieren. Und ich kann eigentlich meine Identität frei wählen. Jeden Tag. So sehe ich das. Oder auch nicht.
Spätestens seine Tattoos über beide Arme und seine Akkorde auf dem Bass verraten es: Volkan Terror steht auch für Metal – genauer: für Black Metal.
Ausschnitt Hörspiel "Black Metal Muslim"
Ich wandere von Identität zu Identität, von Religion zu Religion, von einem Genre ins andere Genre.
Hast du was dagegen?
Ich habe keine Probleme mit mir.
Die anderen sind es, die Probleme machen
oder die in mir ein Problem sehen.
Freiheit kenne ich nur aus dem Wörterbuch, Freiheit existiert nicht.
Es gibt immer jemanden, der etwas dagegen hat. Jemanden, der alles besser weiß.
Die Welt besteht nur aus Stereotypen, die Welt ist der Stereotyp, für alles muss man sich rechtfertigen.
Selbst der krasseste Black Metal, Punk, Anti, Anarchist, was auch immer… entpuppt sich am Ende als….
Cut: Metal setzt ein
"Black Metal Muslim" heißt das Hörspiel, das Volkan T. Error 2019 für den WDR geschrieben hat. Es ist eine künstlerische und musikalische Antwort auf einen Teil der deutschen Black Metal Szene, der die Auffassung verbreitet, dass Muslime keinen Black Metal machen können. Weil sich Black Metal auf die Figur des Satans beziehe – und die sei im Koran nun mal eine andere als in der Bibel. Und wenn es um Rassismus geht, fühlt sich Volkan Terror erst recht herausgefordert.
Volkan T.:
Also, das ist für mich selbstverständlich auch ‘ne Ansage. Das sage ich ganz ehrlich. Die können erzählen, was sie wollen. Und so war ich ja auch schon immer. Mich interessiert nicht, was andere denken oder sagen. Also, ich lasse mich ungern diktieren von Leuten, und das machen aber sehr viele Leute, auch im Kulturbereich. Man wird oft zensiert. Man wird diktiert, man darf dies machen, aber das trotzdem nicht sagen. Und ich bin ein Typ, der sagt eher: Ich sage alles das, was ich denke. Und wenn jemand meint, er hat ein Problem damit, dann er weiß, wo er mich findet. Man kann mich relativ einfach finden. Und dann soll er sich halt vor mich stellen und das mir ins Gesicht sagen.
Volkan T. Error im Grufti-Look und mit altem Radio.
Volkan T. spielt gerne mit der Endzeit. "Endzeit Industry" heißt das Musiklabel, das er mit Toby Dope zusammen hat.© Talu Emre Tüntas
Ausschnitt Hörspiel "Black Metal Muslim"
Islamwissenschaftlerin:
Was es mit Satan und Iblis auf sich hat? Vergleichen kann man sie auf jeden Fall. Iblis ist die Figur, die im Koran auftaucht, und zwar elf Mal, an elf verschiedenen Stellen, und heißt manchmal Iblis, manchmal Schaitan, das ist eigentlich die gleiche Figur. Und hergeleitet ist aber diese Idee vom Teufel, vom Widersacher, die kommt schon ursprünglich aus dem Christentum, wo es verstärkt auftauchte, der Teufel ist ganz stark personifiziert im Christentum aufgetaucht, hat aber seine Anfänge im Alten Testament. Ich weiß nicht, ein Geistlicher in Spanien hat sogar gesagt, er sei der Teufel, der Antichrist. Und hat behauptet, Mohammad sei im Jahre 666 gestorben, und das wäre schon die Teufelszahl und damit auch ein Zeichen, dass Mohammed der Antichrist ist.
In die dokufiktionale Handlung webt Volkan Terror echte Interviews ein – zum Beispiel mit einer Islamwissenschaftlerin oder mit Personen aus der Metalszene in Istanbul. Und zeigt damit: Der Kontext von Black Metal reicht weit über Deutschland oder das Christentum hinaus. Und ganz zentral bleibt immer die Musik: Seine Hörspiele lassen sich durchhören wie Alben mit unterschiedlichen Tracks und wiederkehrenden Motiven.
Volkan T.:
Also, ich glaube, dass ich sehr unorthodox arbeite. Ich arbeite so, als würde ich einen Song zusammenbauen. Ich sammle erst das ganze Material. Natürlich gibt es eine Struktur, und natürlich gibt es auch einen Text und dann ist es ein bisschen eine Gefühlssache – wo ich jetzt das Gefühl habe, dass etwas mit Musik unterlegt werden muss oder dass ein schneller Cut zum Beispiel sein muss. Also, ich versuche, das nach meinem Gefühl zumindest, dass es wie ein ganz langer Song funktioniert, das ist so meine Idee, und ich versuche auch ein bisschen so immer herumzuexperimentieren. Also, ich denke gar nicht so Hörspiel-theatermäßig-textlastig, sondern vielleicht mehr als eine Form von Installation. Ich mag diesen Naturalismus in Hörspielen zum Beispiel nicht. Das ist für mich mehr eine Kunstform, die man nutzen sollte, eigentlich.
Für die Musik in "Black Metal Muslim" hat Volkan Terror extra eine Band gegründet: "Ottoman Torture" nennen sich die drei Musiker, mit dem Untertitel "The Most Extreme in Oriental Music", weil sie Metal mit klassischen türkischen Instrumenten spielen…
Volkan T. Error sitzt mit Baglama, Kopfhörern und Laptop auf einem Bett.
Für "Black Metal Muslim" macht Volkan T. Error Metal mit klassischen türkischen Instrumenten, zum Beispiel der Baglama.© Volkan T. Error
Musik aus "Black Metal Muslim"
Volkan T.:
Also, Humor ist erst mal definitiv sehr wichtig. Also, wenn ich jetzt irgendwie ernsthaft jetzt hingehen würde und die Leute anschreie, macht das eigentlich keinen Sinn. Aber wenn man die Leute ein bisschen vorführt, dann denken die anders auch darüber nach, und dieses Klischee zum Beispiel mit so Straße. Damit muss ich immer umgehen. Ich bin nicht so. Also meine Eltern waren nie so. Ich komme eigentlich aus einer Aristokratenfamilie. Aber egal, wo ich auftauche, sag ich mal, ist das erst mal mein Brandmark, denken alle Leute, ah, Volkan hier aus dem Ghetto höchstpersönlich! Ist natürlich nicht so. Aber vielleicht seh‘ ich auch nur so aus. Ich weiß es nicht (lacht). Aber ich mag das einfach, damit zu spielen.
Volkan Terror heißt mit bürgerlichem Namen Volkan Türeli und wurde 1973 in Tauberbischofsheim geboren. Er wuchs in Frankfurt am Main auf, wo er zuerst HipHopper, dann Metaler und später Hausbesetzer und Steineschmeißer wurde. In den Neunzigern zog es ihn nach Berlin-Kreuzberg – in der Hoffnung, seine musikalischen Identitäten dort verbinden zu können. Er studierte Ethnologie, Politikwissenschaften und Soziologie, wurde Vater und mit der Zeit immer mehr von Theaterhäusern angefragt. Seine Tochter studiert inzwischen selber Theaterwissenschaften.
Volkan T.:
Ich frage auch meine Tochter immer, wie sie es fand. Das ist für mich dann auch sehr wichtig. Also eigentlich so als Input. Mich interessiert weniger, was Dramaturgen oder andere sagen als vielmehr, was meine Tochter zum Beispiel sagt oder auch mein Sohn. Und ob es denen gefällt oder nicht gefällt, damit kann ich dann mehr anfangen und hab ich auch mehr Vertrauen darin. Also, wenn denen etwas peinlich ist oder so, dann sagen die das auch, das kommt auch manchmal vor.
Klar, denn Gelegenheiten zur Provokation lässt Volkan Terror nicht ungenutzt. Wenn er sich auf Performances etwa ein Hitler-Bärtchen aufmalt und seinen Spott über German Angst herausschreit.
Ausschnitt Performance: Die Ängste des Volkan T. Error
Wovor haben Sie Angst?
Vor Döner. Ich sehe, spüre, schmecke, rieche jeden Tag den verfickten Döner. Sogar in meine Träume ist dieser Döner schon eingedrungen. Ich sehe einen übermächtigen, riesigen Döner-Drehspieß. Von 120 Kilogramm. Wie er auf mich – also, in meinen Träumen, wenn ich immer die Currywurst ohne Darm von nur 85 Gramm – rauffällt. Ich probiere die Last zu tragen. Doch er ist zu schwer! Ich werde zerquetscht, ich ersticke! Aaaaaaaaah!
Unangepasst, aggressiv, rau, politisch auf keinen Fall korrekt und immer ein bisschen over the top. Warum Volkan T. immer wieder auf solche Rollen zurückkommt?
Volkan T.:
Ich glaube, dass ich solche Rollen besonders gut kann und dass ich auch provozieren kann, ohne dumm zu wirken. Ich muss auf eine Art und Weise immer irgendwie ich sein. Und ich weiß auch noch nicht mal, ob das ‘ne Figur ist, aber auf jeden Fall ist es ein Teil von mir. Also, ich bin wirklich so, das wissen auch viele Leute nicht, sag ich jetzt heute zum ersten Mal (lacht).