Über die Jahre verfestigt sich das Bild der kühlen, multilateralen Krisenmanagerin: Immer zur Sache, freundlich-gefasst, stoisch beinahe, stets knapp in der Wortwahl. Der Stil entspricht ihrem Temperament – und wird immer mehr zur politischen Überlebensstrategie. Denn im Kanzleramt an der Willy-Brandt-Straße gehen nur selten alle Lichter aus.
Merkel gibt zunehmend den Vernunftfaktor im wachsenden Weltchaos. Handelt pragmatisch, mal unmittelbar und diskret, zum Beispiel bei Geiselnahmen. Zeigt Anteilnahme – wie etwa bei der Enttarnung des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Setzt nationale Wirtschafts- und Finanzinteressen durch, etwa in der "Griechenlandkrise", in der sie anfangs einen knallharten Sparkurs verlangt.
Und sie räumt auch lange hoch gehaltene Positionen ab, wie nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Über Jahrzehnte agierte die CDU als die wohl treueste Vorkämpferin der "Kernenergie". Binnen Tagen entscheidet die CDU-Chefin, das Abenteuer Atomkraft zu beenden. Eine Entscheidung, die manchem Parteigänger als Indiz gilt, dass diese Frau keine wahre Konservative ist.
Zeitzeugen: Jean-Claude Juncker, Ex-EU-Kommissionspräsident, Joe Kaeser, Ex-Siemens-Chef; Peer Steinbrück, Ex-Finanzminister und Rivale; Jürgen Osterhammel, Historiker u.a.
Merkel-Jahre
Der unwahrscheinliche Weg der Angela M.
(5/6) Krise ist immer
Feature-Serie von Stephan Detjen und Tom Schimmeck
Ton und Regie: Tom Schimmeck
Es sprachen: Annette Burchard, Stephan Detjen und Tom Schimmeck
Redaktion: Wolfgang Schiller
Produktion: Deutschlandfunk 2021
Stephan Detjen, 1965 in Bayreuth geboren, ist Chefkorrespondent des Deutschlandradios und leitet das Hauptstadtstudio in Berlin und das Studio Brüssel. Von 1997 bis 1999 war der Jurist und Historiker rechtspolitischer Korrespondent in Karlsruhe. Als Buchautor hat er sich mit Fragen des Verfassungsrechts und der politischen Öffentlichkeit beschäftigt. Die Kanzlerin Angela Merkel beobachtet er von Anfang an aus der Nähe.
Tom Schimmeck, 1959 in Hamburg geboren, arbeitet seit 1979 als politischer Journalist für Presse und Hörfunk. Über Helmut Kohls ersten Wahlsieg 1983 berichtete er aus Bonn. Seit 2004 macht er Radiofeatures für den Deutschlandfunk und die ARD. Seine Arbeit wurde u.a. mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Ernst-Schneider-Preis, dem Schweizer Featurepreis, dem RIAS-Radiopreis und dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet.