"…und wir sind unendlich verarmt"
Der vergessene SPD-Vorsitzende Hugo Haase
Von Karsten Krampitz
Regie: Wolfgang Rindfleisch
Es sprachen: Axel Wandtke, Stephan Baumecker, Manfred Möck, Hans Bayer, Martin Seifert und Frauke Poolmann
Ton und Technik: Christian Bader
Redaktion: Wolfgang Schiller
Produktion: Dlf 2019
"…und wir sind unendlich verarmt"
43:52 Minuten
Entscheidungen seiner nur sechswöchigen Amtszeit prägen das Land bis heute: der Achtstundentag, das Frauenwahlrecht, die Gewaltenteilung. Nach der Revolution im November 1918 stand Hugo Haase gleichberechtigt mit Friedrich Ebert an der Spitze der ersten republikanischen Regierung. 1919 erlag er den Folgen eines Anschlags.
Bei der Einäscherung im Krematorium waren nur die engsten Angehörigen, Freunde und Genossen zugegen. Karl Kautsky sprach in seiner Gedenkrede: "Jetzt bist du dahin, und wir sind unendlich verarmt, verarmt in dem, was wir in dir verloren, aber doch bereichert durch das, was du uns gebracht, was du geschaffen, was du uns gelehrt hast, was weiter wirkt über dich hinaus…"
Den einen galt er als Parteispalter, den anderen als inkonsequenter Sozialpazifist. Friedrich Ebert hatte ihm Treuebruch vorgeworfen. Während Haase im Reichstag 1916 eine Rede gegen den Krieg hielt, schrie Ebert: „Schamloser Kerl, frecher Halunke!“ Philipp Scheidemann beschimpfte den damaligen SPD-Vorsitzenden im Plenum als Drecksseele. Und Rosa Luxemburg, die in der Sozialdemokratie selbst Ziel heftiger Schmähungen geworden war, bezeichnete den Kreis um Hugo Haase gern als Sumpf.
Dabei vertrat Hugo Haase, der langjährige SPD- und spätere USPD-Vorsitzende, ethische Werte - in seinem Leben und vor allem in der Politik: Bescheidenheit, Integrität, Opferbereitschaft für die Partei, internationale Solidarität und nicht zuletzt Toleranz gegenüber Andersdenkenden.
Nachdem im Frühjahr 1919 Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kurt Eisner, Gustav Landauer und viel andere ermordet worden waren, war Haase einer der letzten noch lebenden Anführer der Revolution. Am 8. Oktober 1919 wurde Hugo Haase niedergeschossen. Vier Wochen später, am 7. November, verstarb er an den Folgen des Attentats.
Karsten Krampitz ist Schriftsteller und Historiker. Zuletzt erschien von ihm der Roman "Wasserstand und Tauchtiefe" (Verbrecher) sowie die Überblicksdarstellung "Jedermann sei untertan. Deutscher Protestantismus im 20. Jahrhundert - Irrwege und Umwege" (Alibri)