Schwerpunkt: Eltern und ihre Kinder
Die Don Quijot*innen oder Was kostet die Kindheit?
Alleinerziehende und ihr Kampf gegen Windmühlenräder
Von Ulrike Müller
Regie: die Autorin
Mit: Franziska Kleinert, Martina Hesse, Claudia Lietz, Alexander Schröder, Jean-Luc Caputo, Annedore Bauer, Silke Lehmann, Cornelia Just, Maike Coelle, Jan Lehmann, Julia Schulz, Andrea Jank
Musik: Andreas Stobernack und Ayako Matuschka
Ton und Technik: Kaspar Wollheim und Katrin Witt
Produktion: RBB 2021
Länge: 58'33
Hörspiel: Erziehungsauftrag vs. Lohnarbeit
Drei alleinerziehenden Müttern wird der Prozess gemacht - Die Verhandlung ist fiktiv, die Aussagen basieren auf realen Biografien. © picture alliance / dpa / Felix Kästle
Die Don Quijot*innen oder Was kostet die Kindheit?
Drei alleinerziehenden Müttern wird im Rahmen einer kafkaesken Gerichtsverhandlung der Prozess gemacht. Die Verhandlung ist fiktiv, aber die Aussagen der Angeklagten basieren auf Interviews und realen Biografien.
Wenn der Erziehungsauftrag und die Lohnarbeit um die gleichen zeitlichen Ressourcen konkurrieren, entsteht bei alleinerziehenden Personen häufig ein Gefühl des Ungenügens: sowohl den Kindern als auch dem Job gegenüber. Und tatsächlich können Alleinerziehende ihren Erziehungsauftrag in der Regel nur zu Lasten der Karriere leisten. Alleinerziehende Familien sind in Deutschland stärker von Armut bedroht als jeder andere Haushaltstyp: Im Jahr 2019 lag ihre Armutsgefährdungsquote bei 42,7%. Das bedeutet in der Konsequenz, dass Kinder von Alleinerziehenden auch in ihrer langfristigen Lebensplanung deutlich benachteiligt sind.
Da unsere Gesellschaft Lohnarbeit und Sorgearbeit überwiegend anhand des Modells der Kernfamilie organisiert, geraten Alleinerziehende in eine Art Zwickmühle zwischen Erziehung und Job. Ihr Gefühl des Ungenügens ist also als Hinweis auf ein gesellschaftliches Problem zu verstehen. Gleichzeitig muss dieses gesellschaftliche Problem von Alleinerziehenden tagtäglich individuell gelöst werden. Die Anordnung des Hörspiels überspitzt diese Privatisierung eines gesellschaftlichen Missstands und nutzt dafür die Form einer fiktiven Gerichtsverhandlung. In einer erbarmungslosen, juristischen Sprache werden Alleinerziehende angeklagt, weil sie ihre „Pflichten für Wirtschaft und Erziehung“ nicht erfüllen würden. Diese pointierte Darstellung legt die Schmerzpunkte des Diskurses offen.
Wie bereits in den Hörstücken „Das Projekt bin Ich“ und „Lieber Nicolas Berggruen“ hat die Autorin zunächst zahlreiche Interviews mit Betroffenen geführt. Aus diesem dokumentarisch-biografischen Material haben die Schauspieler:innen in einem zweiten Schritt ihre Texte entwickelt.
Ulrike Müller studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig und Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seit 2010 arbeitet sie als Regisseurin und Autorin für Theater und Hörspiel. 2015 erhielt sie den Deutschen Hörspielpreis der ARD für „Das Projekt bin ich!“ (RBB 2014). Lehraufträge an der Universität Bielefeld sowie theaterpädagogische Arbeit. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. Zuletzt: „Lieber Nicolas Berggruen“ (RBB 2017).