Die Tagebücher des Victor Klemperer

Zeugnis ablegen (2/6)

Deutschland 1935: Aufmarsch des Arbeitsdienstes in Nürnberg beim Reichsparteitag auf dem Zeppelinfeld. Die Fotografie ist violett eingefärbt.
Die Geschichte geht weiter – Victor Klemperers Tagebücher 1918-1959 (Teil 2) © picture alliance / brandstaetter images / Austrian Archives / Grafik Deutschlandradio
Von Victor Klemperer |
• Zeitdokument • „Ich habe den Eindruck, dass eine Explosion bevorsteht. Ich rechne mit Pogromen, Ghetto, Geld und Hausentziehung. Mit allem. Vielmehr: Ich rechne mit nichts.“ Akribisch dokumentiert Klemperer seinen Alltag im Nationalsozialismus.
Teil zwei der Funkbearbeitung umfasst Victor Klemperers Erlebnisse in den Jahren 1935/36. „Wie eine Pestleiche“ meiden die ehemaligen Kollegen den Professor der Romanistik nach seiner Zwangsentlassung 1935. Seine finanzielle Situation verschlechtert sich gravierend. Freunde und Bekannte emigrieren, das Ehepaar Klemperer bleibt. Im September 1935 werden die Nürnberger Gesetze verabschiedet.
Aufmarsch des Arbeitsdienstes auf dem Reichsparteitag in Nürnberg 1935
Aufmarsch des Arbeitsdienstes auf dem Reichsparteitag in Nürnberg 1935© picture alliance / IMAGNO/Austrian Archives
„Mein Tagebuch war in diesen Jahren immer wieder meine Balancierstange, ohne die ich hundertmal abgestürzt wäre. In den Stunden des Ekels und der Hoffnungslosigkeit, in der endlosen Öde mechanischer Fabrikarbeit, an Kranken- und Sterbebetten, an Gräbern, in eigener Bedrängnis, in Momenten äußerster Schmach, bei physisch versagendem Herzen – immer half mir diese Forderung an mich selber: Beobachte, studiere, präge dir ein, was geschieht ...“ (Klemperer 1947 in „LTI“).
Mehr zum Thema in unserem Podcast mit Leonie Schöler: „Die Geschichte geht weiter – Victor Klemperers Tagebücher 1918-1959“.

Zeugnis ablegen (2/6)
Die Tagebücher des Victor Klemperer
Zweiter Teil: Die Jahre 1935 und 1936
Von Victor Klemperer
Bearbeitung: Klaus Schlesinger
Regie: Peter Groeger
Mit: Udo Samel
Ton und Technik: Peter Kainz und Dagmar Looke
Produktion: DLR Berlin/ORB 1996
Länge: 54'43
Eine Wiederholung vom 11.09.2019

Teil 3 am 4. September, 22.03 Uhr

Victor Klemperer (1881–1960), Sohn eines Rabbiners aus Landsberg/Warthe, war ein namhafter Romanist, seit 1920 Professor an der Technischen Hochschule in Dresden, wo er 1935 zwangsentlassen wurde. Von 1945 bis 1960 arbeitete er erneut als Hochschullehrer in Dresden, Greifswald, Halle und Berlin. Er verfasste zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der italienischen und französischen Literatur. Berühmt wurde er mit seiner Abhandlung von „LTI – Notizbuch eines Philologen“ (1947), in der er die ideologische Verwendung der deutschen Sprache in der Nazizeit analysiert.

Der Romanist und Philologe Victor Klemperer in einer zeitgenössischen Aufnahme. Er wurde am 9. Oktober 1881 in Landsberg (Warthe) geboren und ist am 11. Februar 1960 in Dresden gestorben.
Victor Klemperer© picture alliance / dpa / Fotoreport Aufbau Verlag

Klaus Schlesinger (1937–2001) schrieb als Schriftsteller und Journalist Prosa, Hörspiele, Reportagen und Essays. 1980 übersiedelte er von Ost- nach West-Berlin. Hörspielfassung der Klemperer-Tagebücher aus den Jahren 1933–45 „Zeugnis ablegen“ (DLR Berlin/ORB 1996), aus den Jahren 1918–32 „Leben sammeln“ (DLR Berlin/ORB 1997) und über die DDR-Zeit der Klemperers „Zwischen allen Stühlen“ (DLR Berlin/SFB-ORB 1999).

Klaus Schlesinger hat ein Leben im Osten und eins im Westen geführt - zwei Biografien, die der Schriftsteller nicht vereinen kann.
Klaus Schlesinger © picture alliance / dpa / Markus Wächter
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