Bettina Mittelstraß im Dreierpack

Wörtern den Klang ablauschen

Bettina Mittelstraß
Bettina Mittelstraß © privat/Judith Affolter
Freistil widmet sich im Oktober mit drei Sendungen dem Werk von Hörspieljournalistin und Autorin Bettina Mittelstraß, die über Umwege zum Radiofeature kam, das sich als das ideale Format für ihre Art des Erzählens herausstellte.

Ohren als Partner der Neugier

Sich wundern. Fragen stellen. Zuhören. Hinhören. Jedem Wort den Klang ablauschen, Antworten, Erzählungen, Sounds aufnehmen und Hör-Geschichten erzählen, denen im besten Fall wieder jemand lauschen möchte – das sind die Lieblingsbeschäftigungen von Bettina Mittelstraß. Die Ohren sind ihr der wichtigste Partner der Neugier – und das Radiofeature das ideale Format, um mit allem, was sie leidenschaftlich gern aus der Welt aufnimmt, etwas akustisch kunstvoll Gestaltetes auch wieder in sie hinaus zu senden. Um andere neugierig zu machen. 
Gefragt nach ihren frühesten Radioerlebnissen, erinnert sich die 1964 in Erlangen geborene Hörfunkjournalistin an ihren ersten Radiowecker, den sie sich mit etwa zehn Jahren zu Weihnachten wünschte und auch bekam. Statt weiter heimlich unter der Decke zu lesen, lauschte sie fortan dem Gerät in viel zu frühen Morgenstunden, wenn es seltsame Musik, nie gehörte Klänge, Töne, Geschichten, Gedichte und Wortgebilde von sich gab wie von einem anderen Stern. Die Spielarten nächtlicher avantgardistischer Radiokunst der 1970er Jahre prägten ihr Hören, beflügelten ihre Fantasie und öffneten ihr eine überwältigende Welt. Ein schwerer Kassettenrekorder wurde daraufhin das erste und wichtigste Utensil für eigene Aufnahmen und Soundexperimente.

Der Weg zum Radiofeature

Ein paar Umwege mussten sein, bevor das Radiofeature sie ganz in den Bann zog. Ein Studium der Geschichte und Philosophie und erstmal Berichte für die Wissenschaftsredaktion im Deutschlandfunk – aber bitte mit Sounds und Klängen und Gedichten, ein bisschen Dramaturgie, mit akustischen Spielereien und Kontrasten, kleinen Szenen und Hörerlebnissen, die stutzig machen, Widersprüchliches bebildern, Fragen aufwerfen und auf Wissenschaft einfach neugierig machen müssen! Man ließ sie machen und da war der Weg zum Radiofeature schon gegangen.
(Philosophische) Fragen an die Welt sind dabei ihr Ausgangsmaterial geblieben: Verheddern wir uns eigentlich beim Netzwerken? („Ins Netz gegangen – Von Verstrickungen und Freiheiten wird am 15.Oktober 2023 ausgestrahlt). Warum wollen sich Gesellschaften reinigen und wovon? („Reinigungsarbeit – Von äußerer und innerer Sauberkeit ist am 8. Oktober 2023 im Programm) Wie laut kann Stille sein? Was verrät uns Sprache über Spucke? („Spuck’s aus – Widerliches und Wertvolles vom Speichelfluss“ – Sendedatum ist der 22. Oktober 2023).

Über die Landesgrenzen hinaus

Worte und Begriffe wirken wie Stolpersteine auf Bettina Mittelstraß, die sie in viele kleine Bausteine aus Perspektiven verwandelt, um diese dann wieder dramaturgisch präzise zu einem verspielten und zugleich erhellenden Hörerlebnis zu komponieren. Wenn am Ende beim Hörenden Verwunderung, Neugier und Fragen übrig bleiben, ist sie für einen Moment zufrieden – und setzt sich mit Freude an die nächste Aufgabe. Seit über 20 Jahren schreibt sie nun schon für das deutschsprachige Radio über die Landesgrenzen hinaus, hat Auszeichnungen wie den Schweizer Featurepreis erhalten und bleibt ihrer Wissbegierde und bunten Erzählweise treu. Darüber hinaus schreibt und produziert sie seit einigen Jahren ebenso kunstvolle wie informative Hörerlebnisse für Ausstellungen, Museum oder Klangpfade im öffentlichen Raum. Alle ihre Hörwelten eint: Sie machen mit Vergnügen neugierig.