Features auf Deibel komm raus
Freistil widmet sich im Mai mit drei Werken dem Schaffen von Ulrich Land, für den das Feature als eine "Spielart des Hör-Spielens" alle Möglichkeiten erkundbar macht, die das Radio bietet.
Für ihn ist seit jeher das Radiofeature eine Spielart des Hör-Spielens. Mit lebenden, selten mit geschauspielerten Personen. Nicht mit fiktiven Dialogen, sondern möglichst nah am Realen. Mit Debatten aus Originaltönen: aus Interview- und Gesprächsauszügen - und mit dem zwischenfunkenden Autorentext. Ergänzende Sounds und Musikfetzen machen für Ulrich Land das Feature zum Fächer, der die Möglichkeiten des Kunststücks Radio in allen Facetten auslotet und aufwirbelt.
Geboren 1956 in Köln spitzte er schon als Kind die Lauscher, wenn "Sandmännchen" und "Schulfunk" aus dem heimischen Küchenradio Weisheiten verkündeten und den Moralzeigefinger ausfuhren. Besonders aufregend war es für ihn, wenn ein Krimi dazwischenrutschte, der selbstredend für seine Ohren nicht bestimmt war. Spätestens aber in Jugend- und Studentenjahren mauserte Land sich zum begeisterten Radio-Hinhörer. Während des Zivildienstes machte er seine allerersten Gehversuche mit einem eigenen Hörspielmanuskript, das dann schließlich von der ersten Idee bis zur Sendung im damaligen WDR 1 in der Reihe "Riff" zehn Jahre brauchte. Einen verdammt langen Atem brauchte Land also, den ihm sein Traumprojekt – Radiomachen – abforderte. Aber: Es hat sich gelohnt!
Die erste fette Radiosendung hat er einem Klassenkameraden seines Vaters zu verdanken, Ernst Mömkes. Eingefleischt konservativ, aber immer offen. Als WDR-Hörspiel-Dramaturg ließ er den jungen Land mit seinen kruden Ideen im Kopf einfach mal machen. Er habe hier einen dicken Stapel Material für ein Ortsporträt des Städtchens Rheinberg am Niederrhein, aber keinen Autor, sagte er. Ob er, Ulrich Land, Lust hätte, ein zweistündiges Zwischending aus Radiofeature und Hörspiel über dieses verschlafene Nest zu basteln. Der hatte! Und hatte, schwupps, den unberühmten Fuß zwischen der berühmten Tür. Weitere Radio-Weggefährten folgten auf diesem Fuße: Walter Filz, Gisela Corves, Curt Hondrich, Barbara Entrup, Georg Bühren, Nela Fichtner, FC Starke, Elisabeth Brückner, Dieter Jandt, meine Wenigkeit: Klaus Pilger, und viele andere mehr.
Seit inzwischen 35 Jahren lebt Land nun vom Schreiben fürs Radio. Er fabrizierte bislang vierzig Hörspiele und mehr als hundert Radiofeatures bei verschiedenen ARD-Sendern und beim Deutschlandfunk. Außerdem schreibt er Lyrik, Erzählungen, Essays und brachte elf Romane raus, zuletzt: "Dating Tucholsky" (Zürich, 2021). Darüber hinaus arbeitet er im Nebenerwerb als Uni-Dozent für kreatives Schreiben und Hörspielmachen.
Der Rundfunk aber steht sein ganzes Berufsleben lang an erster Stelle. Radiomacher mit Leib und mit Seele: Auf Deibel komm raus hörbar machen, was sich hören lässt! Und dabei das Hörensagen ausloten, die Ränder des süßen Grauens, die Faszination von skurrilen Alltagsereignissen, von Krisen und Katastrophen, Süchten und Sehnsüchten, von Tod und Teufel. Unverdrossen wird von seinem Schreibtisch aus hinein ins Mikro und ins Studio gehörspielt und gefeaturet. Kein größeres Vergnügen für ihn als den Leuten zuzuhören, Gerede und Gespräche aufzugabeln, Kontraste aufzuspüren, sich für die eingesammelten O-Töne Hörkonstellationen auszudenken und mit Geräuschkulissen auszukleiden. Auf dem langen Marsch durch die Gehörgänge der Hörerinnen und Hörer an den Apparaten draußen im Lande – bis zur Panoramaleinwand auf der Innenseite der Stirn. Großes Kino durch nichts als Hörbares. Genau darauf setzt Ulrich Land, wenn er seine eigene Art des Radiomachens mit ungebremster Freude und Engagement in die Welt posaunt.
Zum Beispiel in seinen 'Freistil'-Features, die jetzt als DREIERPACK daherkommen:
"Obi et Orbi – Paradies Baumarkt" (2002), am 8. Mai 2022 im Programm: Wer würde denn nicht gerne in den ausgestellten Bädern gleich in die Wanne steigen, sich in den Küchenzeilen einen strammen Max zubereiten, im Gartencenter Eden ein Abendpfeiflein schmauchen wollen?! Nirgends gibt's so viel Alles wie im Baumarkt! Allemal 60.000 verschiedene Artikel. Auch wenn sich die daraus hervorgegangenen Heimparadiese alle verdächtig ähnlichsehen, kann man das Gewürzregal Marke Eigenbau im Gegensatz zu einer dahinfliegenden EDV-Datei anfassen. Und so lautet das Baumarkt-Credo denn auch: Du bist, was du werkelst.
"Schöne Hülle – Das Prinzip Verpackung" (2018), am 15. Mai 2022 im Programm: Die Vakuumfolie um CDs und Schweinebraten, die Kartonagen des Online-Shoppings, das knisternde Geschenkpapier: das Prinzip Verpackung! Das verhüllt, um Enthüllung zu provozieren. Das verbirgt, um die (Neu-)Gier anzuheizen. Einerseits wird der Inhalt ästhetisch aufgewertet durch eine Schale, um noch den alltäglichsten Konsumprodukten eine erlesene Corporate-Identity zu verleihen – andererseits ist die Verpackung zur Ikone der Verschwendung geworden. Trotzdem scheinen sich die Apostel ökologisch gebotenen Verzichts an der Verpackung die Zähne auszubeißen.
"Winzig Wohnen – Das Gebot der Stunde?" (2019), am 22. Mai 2022 im Programm: Sich Verkleinern ist kein Abstieg mehr, sondern hip. Dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum versucht man, mit kleinen, aber raffiniert ausstaffierten Wohneinheiten beizukommen: 'small and smart': hochflexibel, fein und klein. Immer mehr Studenten und Jungakademiker richten sich in winzigen, ausgeklügelten Wohnmodulen ein. Gut betuchte Architekturprofessoren legen hochtrabende Zukunftskonzepte für bescheidenes Wohnen vor. – Doch sind Tiny-Houses wirklich eine Alternative für Leute mit schmalem Budget? Oder müssen wir zurück in die Höhle?