Brand und Prost
43:50 Minuten
Erst das Feuer löschen, dann den Durst: Die Freiwillige Feuerwehr ist ein fester Bestandteil der bayerischen Kultur. In manchen Dörfern ist die Wache der einzige Treffpunkt im Ort. Damit könnte es bald vorbei sein, denn es fehlt der Nachwuchs.
Am Biertisch im Feuerwehrhaus geht eine "Goaßmaß" rum. Ein Ein-Liter-Bierglas voll mit einem Gemisch aus dunklem Bier, Cola und Kirschlikör. Beim "Ball der Feuerwehren" in Sankt Wolfgang, 50 Kilometer entfernt von München, scheint die Welt noch in Ordnung. Der Festsaal im altbayerischen Wirtshaus ist gut gefüllt. Die Gemeinde zählt bei knapp 5.000 Einwohnern sechs Feuerwehren.
Eine davon befindet sich in Pyramoos. Hier ist Gerhard aktiv. Die Feuerwehr, sagt er, sei der einzige Treffpunkt im Ort. Es gäbe weder einen Verein noch eine Wirtschaft. Aber es herrsche eine Art "Feuerwehr-Vollbeschäftigung". Von 200 Einwohnern sind aktuell 40 bei der Feuerwehr im Einsatz. Dennoch ist es nicht einfach, für Nachwuchs zu sorgen. Prognosen rechnen bayernweit mit 15 Prozent weniger Feuerwehrleuten bis 2031. Wie junge Leute motiviert werden können, erzählt der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes Alfons Weinzierl.
Spezi-Feuerwehr
In Höhenkirchen bei München ist ein roter Kleinwagen von der Straße abgekommen und in eine Grube gefahren. Die Freiwillige Feuerwehr wird alarmiert. Die Kommandantin Nikola Schwaiger schaut bei Schneeregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt zu, wie ihre Kameradinnen und Kameraden die Situation meistern. Heute muss allerdings nur eine Stoffpuppe gerettet werden.
Fast jede Woche treffen sich die Freiwilligen Feuerwehrleute zu Übungen und zum anschließenden gemütlichen Beisammensein. Bier trinkt hier aber niemand mehr. "Diese Zeiten sind vorbei. Wir sind eine Spezi-Feuerwehr!", sagt Nikola Schwaiger stolz. 3.000 Euro gibt man hier jährlich für das Cola-Orangenlimonaden-Getränk aus. Auch die Kommandantin selbst steht für Veränderung. Frauen hatten früher bei der Feuerwehr lange nichts zu melden. Auch 2018 liegt der Frauenanteil bei der bayerischen Feuerwehr bei gerade mal neun Prozent. Schwaiger ist eine der wenigen weiblichen Führungskräfte im Feuerwehrwesen des Freistaats.
Elf Millionen Klicks auf YouTube
Ein Mann fehlte bei der Übung in Höhenkirchen. Er nennt sich "Firescue112" und ist ein echter YouTube-Star. In seinen Videos fahren Feuerwehrautos aus Geräthäusern heraus und wieder hinein. Bis zu 40 Stunden wartet er vor Wachen im gesamten Bundesgebiet, um die Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn aufnehmen zu können. Ein echter Adrenalinkick. Der Hobbyfilmer hat Tausende Fans und mehrere Millionen Klicks. In dieser Mikrokosmos-Reportage warten wir mit ihm vor der Münchner "Feuerwache 4 Schwabing" auf den nächsten Klickkick.
(Whlg. v. 02.02.2018)