Hörspiel nach einem Pop-Art-Comic

Orphée Mécanique

Gedankenströme unmittelbar in elektronische Signale aus Musik verwandeln. Zu sehen: Motoneuron synapsiert mit Skelettmuskelzellen.
Gedankenströme unmittelbar in elektronische Signale aus Musik verwandeln. © imago images / VWPics
Von Felix Kubin |
Orpheus wird für seine exzentrischen Konzerte gefeiert. Sein Instrument, das Psykotron, kann Gedankenströme unmittelbar in elektronische Signale aus Musik, Geräuschen und Sprache verwandeln. Pophörspiel frei nach Dino Buzzati.
Zusammen mit seiner großen Liebe Eura führt Orpheus ein unbekümmertes Dandy-Dasein, bis eines Tages die Stadt von einer unheimlichen Krankheit heimgesucht wird, der auch Eura zum Opfer fällt. Betäubt vom Schmerz beschließt Orpheus, sie aus der Welt der Toten zurückzuholen.
Felix Kubin entwickelte 2006 seine Neufassung des Orpheus-Mythos’ in Anlehnung an Dino Buzzatis ungewöhnlichen Pop-Art-Comic „Orphi und Eura“, mit dem der italienische Autor und Zeichner 1968 ein überraschend modernes Spätwerk geschaffen hatte. Orpheus’ Lieder wurden in diesem akustischen Comic zu hörbar gemachten Erinnerungen, die die Strukturen der Songs ins Experimentelle und Fragmentarische erweitern.
2012 entwickelte Kubin seine handlungsorientierte Hörspiel-Version zu einem assoziativen und musikalischen Hörspiel weiter, das textlich mit punkiger Attitüde und in der Tradition von NDW-Elektronik den antiken Mythos neu zusammensetzt.
„Ich nenne es meine Godard-Version. Mal sehen. Man hat das Buch sozusagen vor Augen, man blättert darin, hin und her, aber man ist nicht mehr in der Geschichte. Die Form ist flüchtiger, lyrischer. Ich würde das abgegriffene Wort Remix gerne vermeiden, es ist eher ein Schleudersitz, der den Hörer aus der Linearität der Geschichte wirft.“ (Felix Kubin)
Das Hörspiel "Orphée Mécanique" wurde Hörspiel des Jahres 2012.
Begründung der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste:
„Mit ‚Orphée Mécanique‘ rückt der Akustikkünstler, Musiker und Hörspielmacher Felix Kubin den Orpheus-Mythos ins Zentrum einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Wiederholung – in Liebe, Medien und Kunst. Der Schauspieler und Sänger Lars Rudolph gibt als gefeierter Star Orphée Konzerte für die nach Geschichten aus der Welt der Lebenden gierenden Schatten. Orphée singt und spielt dabei mit einem Hirnstrom-Sound-Konverter namens ‚Psykotron‘ von einer Oberwelt, in der ‚jeder Tag ein Arbeitstag‘ ist, die sich also in ihrer eintönigen Gleichförmigkeit kaum von der Unterwelt unterscheidet.
Kubins Orpheus-Figur befindet sich wie in der antiken Überlieferung auf der Suche nach seiner Geliebten. Allerdings jagt er ein ums andere Mal einer unerreichbaren Projektion seiner Liebe nach. Für ihn gibt es keinen Ausweg aus der sich ewig wiederholenden Suche, denn als mechanischer Orpheus hat er die Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln verloren. Er startet jedes Mal bei Null.
Kurze Dialoge zwischen Orphée und einer Erzählerfigur kreisen um die Frage der Kreativität, sie diskutieren die Folgen eines übersteigerten Ichgefühls, das Verhältnis zum Anderen und zur großen Liebe. Songs mit Ohrwurmqualität ragen aus der Erzählung des Mythos heraus und treiben sie akustisch und inhaltlich vor sich her.
Das Hörspiel schließt mit dem Beginn, die musikalisch-lyrische Erzählstruktur erweist sich als zyklisch. Mit ‚Orphée Mécanique‘ hat Kubin weit mehr als eine Neubearbeitung seines Hörspiels ‚Orpheus' Psykotron’ von 2006 geschaffen. Er hat sich von seiner ursprünglichen Inspirationsquelle, Dino Buzzatis Pop-Art-Comic ‚Orphi und Eura‘, entfernt und den Stoff in eine ‚zeitgenössisch-anachronistische‘ (The Wire) Radioform gebracht.“

Orphée Mécanique
Von Felix Kubin
Regie und Komposition: der Autor
Mit: Lars Rudolph, Gerhard Garbers, Yvon Jansen, Charlotte Crome, Traugott Buhre, Marlen Diekhoff sowie Yvon Jansen, Leéna Fahje, Nikola Duric (Chor) und Ensemble Intégrales
Ton: Tobias Levin und der Autor
Produktion: BR 2012
Länge: 50'50

Felix Kubin, geboren 1969 in Hamburg, ist Komponist, Hörspielproduzent, Performer, Medienkünstler und Kurator. Er bewegt sich zwischen Hoch- und Untergrundkultur, Clubs und Konzerthallen. Kubin betreibt das Label Gagarin Records. Marie Losier porträtierte ihn in dem Film „Felix in Wonderland“ (2019). Zuletzt: „Die Maschine steht still“ (NDR 2018), ausgezeichnet mit dem ARD Online Award.


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