Die Sache mit dem Pups
Wo ist die Körperscham geblieben?
Von Florian Felix Weyh
Regie: Matthias Kapohl
Mit: Annina Euling, Nils Kretschmer, Susanne Reuter,
Svenja Wasser und dem Autor
Ton und Technik: Lukas Fehling und Gunther Rose
Redaktion: Klaus Pilger
Produktion: Deutschlandfunk 2022
Wo ist die Körperscham geblieben?
Graffito an einem Tor in Bonn. © imago/Steinach
Die Sache mit dem Pups
54:27 Minuten
Auf Varieté-Bühnen hat es immer schon Kunstfurzer und Komiker gegeben, die über Körperpeinlichkeiten Witze rissen. Aber wieso müssen wir es ertragen, kurz vor der Tagesschau mit Verdauungsproblemen belästigt zu werden? Das stinkt doch zum Himmel!
Vielleicht fing es 2014 mit dem Bestseller „Darm mit Charme“ an: Plötzlich konnte man über Verdauung reden, ohne schamvoll zu erröten. Seither sind Verdauungsangelegenheiten im Smalltalk okay. Oder hat die TV-Werbung eines Reizdarm-Therapeutikums gesellschaftlich integrativ gewirkt?
Pupsen müssen wir alle - warum es länger tabuisieren? Aber ist - als Folge der gesellschaftlichen Überalterung - künftig cool, wer über seinen Reizdarm spricht, und uncool, wer einfach sportlich und gesund ist? Jene US-Influencerin, die Fürze in Gläsern sehr lukrativ verkaufte, bevor ihr mutwillig erzeugter Blähbauch sie ins Krankenhaus brachte, war freilich keine Greisin.
Wie viel von einem selbst darf man anderen eigentlich zumuten, bevor das zivilisierte Zusammenleben leidet? Oder muss unsere eng gewordene Welt Druck ablassen, indem sie ihre Körpertabus fahren lässt?
Florian Felix Weyh, Jahrgang 1963, schrieb als junger Mensch Theaterkomödien und Hörspiele. Heute bevorzugt er das Feature mit seinem dokumentarischen Anteil. Geblieben ist ihm der Zugriff des Dramatikers auf seine Figuren: Wo er die Welt im Radio erforscht, werden die Interviewten zu Mitspielern im Theatrum mundi. Unterhaltsam geht es dabei immer noch zu.