Wie viel Trump steckt in vier Wänden?
In der Radiosendung "Donalds Donald" hat das Kölner Autorenkollektiv Hofmann&Lindholm Menschen nach dem Hass auf ihre Nachbarn gefragt. Im Interview spricht Hannah Hofmann über Antrieb und Hintergründe des Stücks.
Frage: Was hat Sie an dem Thema gereizt?
Hofmann: Seitdem Donald Trump verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist, wird ihm oft eine narzisstische Störung unterstellt. Diese könnte man aber auch einer Gesellschaft attestieren, in der jemand wie Donald Trump zum Präsidenten gewählt wird. Wir wollten herausfinden, wie viel Trumpismus eigentlich in unseren vier Wänden haust und zur Diskussion stellen, mit welchen Praktiken sich jeder Einzelne im Privaten abschottet.
Hierfür haben wir Menschen in ganz Deutschland getroffen, die uns ihre Irritationen, ihren Ärger und ihre Ängste gegenüber Nachbar*innen geschildert haben, deren Handlungs-, bzw. Lebensweisen sie nicht verstehen können oder auch nur allzu gut - als persönliche Herausforderung - zu verstehen meinen. Oder anders gesagt: Uns haben Ängste und Aggressionen in diesem besonderen Verhältnis der Nachbarschaft interessiert: Bei diesem Zusammenleben ohne zusammen zu leben.
Frage: Das Stück bildet den Auftakt zur Reihe "HERD. HEIMAT. HASS." Ein passender Beginn?
Hofmann: Wir finden den Titel sehr passend und vielversprechend, denn auch bei uns dreht sich alles um den in Deutschland köchelnden Herd. Uns ist wichtig, dass einem Thema wie Hass mit selbstkritischen Fragen begegnet wird. Dass es nicht nur dazu benutzt wird auf andere zu zeigen, um sich zu distanzieren, sondern dass es zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit einem Thema kommt, dass wir alle ernst nehmen sollten.
Frage: Warum haben Sie sich auf das private Umfeld konzentriert?
Hofmann: Die eigenen vier Wände sind ein schützenswerter Rückzugsraum, der in der modernen Welt eine besondere Stellung einnimmt: Wir alle sind von so viel Wandel umgeben, dass wir manchmal fürchten, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren. Dieser Verunsicherung wird in den eigenen vier Wänden mit einer privaten Abschottungspolitik nach außen begegnet. Das Gefühl der Unzulänglichkeit soll Zuhause bitte nicht aufkommen. Für Überraschungen möchte man selbst sorgen oder ihr Potential so gering wie möglich halten. Das eigene Heim ist ein Ort, an dem wir die Kontrolle auf jeden Fall behalten möchten.
Frage: Wie sieht diese Abschottung aus?
Hofmann: Zum Beispiel in Form von Putzen. Putzen hält den so genannten Status Quo aufrecht und bekämpft konsequent, was ihn verändert. Manche Menschen bauen Mauern oder Zäune um ihre Grundstücke, um auszuschließen, was die eigene Identität, den eigenen Lebensstil hinterfragen könnte.
Auch im Hinblick auf die Vergänglichkeit spielt der Konservierungsgedanke im Eigenheim eine wichtige Rolle: Der Tod ist uns immer auf den Fersen. Zuhause scheint in besonderer Weise zu gelten, dass man nicht kontrollierbare Veränderungen in Schach, bzw. auf Abstand hält, insofern man sie nicht selbst bewusst herbeiführt. Da können einem dann eigenwillige, selbstbestimmte Nachbar*innen unter gewissen Umständen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.
Wir haben in den Gesprächen gelernt, dass der Gedanke an ungewollte Veränderungen, an die eigene Vergänglichkeit immer wieder mitschwingt. Man will sein Leben im Griff haben und sich dem Tod durch Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse auch ein Stück weit entziehen.
Frage: Wie sind Ihnen die Menschen bei den Gesprächen begegnet?
Hofmann: Anfangs waren viele skeptisch, weil die Anstiftung zur Diffamierung eines fremd vertrauten Gegenübers, also der eigenen Nachbar*innen – natürlich erstmal Misstrauen geschürt hat.
Hier mussten wir erstmal eine Vertrauensbasis schaffen und klarstellen, dass wir unsere Gesprächspartner*innen nicht als fremde Andere brandmarken wollen, sondern als Stellvertreter*innen der Gesellschaft sehen. Als Menschen, denen wir – auch in den eigenen vier Wänden oder vorm Spiegel – unter gewissen Umständen täglich selbst begegnen könnten.
Frage: Haben Sie da eine Lust am Hass gemerkt?
Hofmann: Lust am Hass würde ich das nicht nennen, es geht tatsächlich eher um Verunsicherung und darum, diese Verunsicherung in den Griff zu bekommen, vielleicht auch mal Macht zu spüren und damit auch sich selbst. Eine gewisse Lust kam durchaus auf, die bezieht sich aber eher darauf, sich in etwas hineinzusteigern, auf dem sonst ein Deckel sitzt, als auf den Hass selbst.