Der Komponist Dai Fujikura im Gespräch
Der mehrfach ausgezeichnete japanische Komponist Dai Fujikura (Jahrgang 1977) hat die Musik zu unserem Hörspiel „Geborgte Landschaft“ von tauchgold komponiert. Im Gespräch mit Shelly Kupferberg gibt er Einblicke in seine Arbeit.
Shelly Kupferberg:
„Welche Bedeutung räumen wir Menschen den Dingen ein? Kann ein Gegenstand, kann
ein Instrument so etwas wie Persönlichkeit entwickeln? Erinnert sich - oder vielleicht
besser: wie erinnert sich ein Instrument seiner Spieler? Was überhaupt ist Erinnerung, was Vergessen? Diesen Fragen gehen die Musiker*innen eines Klaviertrios nach, als sie zu einem Friedenskonzert in Hiroshima eingeladen werden. Das Narratorium „Geborgte Landschaft“ von tauchgold geht all diesen Fragen nach. Erzählt werden die Geschichte dreier Instrumente, einem Klavier, einer Violine, einem Kontrabass. Instrumente, die historischen Extremsituationen ausgesetzt waren. Wie sehr sind diese Geschichten in ihnen eingespeichert?
Die Musik zu diesem Narratorium hat Dai Fujikura komponiert – Jahrgang 1977, er ist in
der Präfektur Osaka geboren und ging im Alter von 15 Jahren nach London, um am King’s College London und am Royal College of Music zu studieren. Seine Werke sind mehrfach ausgezeichnet worden und wurden von Interpreten, wie Pierre Boulez, Péter Eötvös, Gustavo Dudamel, Susanna Mälkki, Jonathan Nott, Matthias Pintscher und dem Arditti Quartett aufgeführt. Ich hatte die Gelegenheit, mit Dai Fujikura zu sprechen. Ich grüße Sie! Hello Dai Fujikura! Dai Fujikura: Der Titel dieses „Narratoriums“ von tauchgold lautet „Geborgte Landschaft“, er spielt auf ein Konzept aus der japanischen Gartenarchitektur an – ein Titel, der Sie auch musikalisch anspricht, läßt er sich für Sie in Musik übersetzen?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I did’d really…/Ich habe vom Titel nicht wirklich Notiz genommen, als ich anfing, daran zu arbeiten, ich habe mich vielmehr auf die Geschichte konzentriert, einfach: weil es eine Geschichte ist! Denn: Ich liebe es, Musik als eine erzählte Geschichte zu betrachten. Tauchgold hat mir von Anfang zu verstehen gegeben, dass die Musik in ihrem Stück gleichberechtigt zum Einsatz kommen soll, es sollte keine Musik werden, die einfach begleitet - was mich natürlich sehr gefreut hat! Und so habe ich mich weniger von der Idee eines japanischen Gartens leiten lassen, sondern sehr viel mehr von der eigentlichen Geschichte, die hier erzählt wird, oder besser: Die wir gemeinsam erzählen wollten mit der Musik.“
Shelly Kupferberg:
„Nachgedacht wird u.a. über die Frage, ob Instrumente eine Erinnerung haben – was meinen Sie, haben Sie eine?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
„I think they do! / Ich glaube schon. Ich kenne natürlich Musiker, die sich ihre Instrumente anfertigen lassen, aber selbst, wenn Du dann nicht mehr darauf spielst -aus Altersgründen oder weil Du stirbst - wird das Instrument ja nicht vernichtet. Dann übergibst Du es ja der Nachwelt, Du gibst es weiter. Es wäre seltsam, nicht davon auszugehen, dass Instrumente eine Erinnerung haben – es muss so sein! Vor allem Instrumente, die aus Holz gefertigt sind, aus einem natürlichen Material. Das ursprüngliche Holz hat ja bereits eine eigene Geschichte, bevor es zu einem Instrument verarbeitet worden ist. Die MusikerInnen leben also mit dieser Geschichte in ihren Instrumenten. Ich denke, das ist eines der magischen Dinge, die mit Musikinstrumenten verbunden sind, und die wiederum die Beziehung zu den Instrumentalisten ausmachen.“
Shelly Kupferberg:
„Es geht um die Geschichte eines Klavieres, eines Kontrabasses und einer Violine – dieses Klavier ist Ihnen bekannt: Das Klavier von Akiko, dass die Atombombe auf Hiroshima überlebt hat – Sie haben dieses Instrument kennengelernt. Können Sie uns darüber ein wenig mehr erzählen? „
Dai Fujikura/Voice-Over:
“Yes, this has been a really interesting journey for me.../Ja, das war eine sehr
interessante Reise für mich! Die Idee war, ein Klavierkonzert für dieses Instrument zu
komponieren. Ich hätte das Ganze bei mir zu Hause in London schreiben können. Aber ich fühlte, dass ich dafür just dieses Instrument treffen werden müsste. Und so entschied ich mich dafür, nach Hiroshima zu reisen. Dieses Klavier stand damals weit entfernt von irgendwelcher Infrastruktur, irgendwo auf dem Land. Es war nicht einfach, dorthin zu gelangen. Vier Tage lang habe ich dann mit diesem Instrument viel Zeit verbracht. Wichtig zu erwähnen ist, dass dieses Klavier beschädigt ist. Es hat immerhin den Atombombenabwurf überlebt. Es trägt zum Beispiel Scherben in sich. Man hat versucht, es zu reparieren, konnte aber nicht alles wieder in Ordnung bringen – und so können einige Töne darauf nicht gespielt werden. Man hört bei einigen Tasten sehr viel mehr mechanische Geräusche, oder gong-artige Klänge. Es hat dadurch seinen ganz eigenen Charakter.
Ich lebte also mit dem Instrument und vielen Fotos von dem Mädchen Akiko, das darauf gespielt hatte und die hier ausgestellt sind, auch ihre Tagebücher finden sich hier. Ich habe versucht, so viel wie möglich von diesem sehr speziellen Instrument in die Komposition einfließen zu lassen, es hat die Musik absolut beeinflusst – hätte ich das Ganze zu Hause komponiert, wäre es ein ganz anderes Werk geworden.
Shelly Kupferberg:
„Was war es für Sie für ein Gefühl, darauf zu spielen?„
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I wasn’t sure I could even touch it.../ Ich wusste zunächst nicht, ob ich in der Lage sein
würde, es anzufassen, es zu spielen... noch dazu haben mich die vielen Fotos von
Akiko, die um das Instrument herumstanden, einfach überwältigt. Akiko: Sie wirkt durch die Fotos so lebendig! Wir sehen sie darauf in allen Altersstufen. Wir begleiten sie durch ihr Leben. Sie war 19 Jahre alt, als sie kurz nach dem Atombombenabwurf starb. Ich musste das Ganze auf mich wirken lassen und darüber nachdenken, was ich nun mit alledem anfangen würde. Die Charakteristik dieses Klaviers ist so speziell. Das ist kein normales Klavier. Und genau das sollte in dem Werk deutlich werden. Denn dieses Klavier ging durch eine ganz eigene Geschichte.“
Shelly Kupferberg:
„Sie haben für dieses Instrument ein ganzes Konzert geschrieben: Woran haben Sie sich musikalisch dabei orientiert? Wie ließ sich für Sie die Geschichte dieses Instruments und seiner einstigen Besitzerin in Musik fassen?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“As a composer: What do you do? / Als Komponist - was machst Du in einem solchen Fall? Ganz klar: Das Ganze ist eine Tragödie! Und es passierte vor langer Zeit. Was also machst Du? Schreibst Du ein Requiem? Ich wollte auf keinen Fall traurige Musikschreiben. Ich wollte die Menschen nicht dazu zwingen, sich traurig zu fühlen. Ich wollte keine Musik schreiben, die die Geschichte emotional in Szene setzt. Und auch keine
Bombe musikalisch inszenieren, die explodiert. Ich denke, es wäre eine zu wohlfeile Angelegenheit gewesen, diese Geschichte musikalisch eins-zu-eins zu erzählen. Kein Requiem, keine bombastische Orchestermusik! Tja, das ist nicht einfach!! Ich habe lange nachgedacht. Ein von mir sehr geschätzter Musiker erzählte mir in dieser Zeit davon, was Heiler tun, wenn sie einen kranken, einen sterbenden Menschen begleiten: Sie denken nicht an das Vergehen, an das Ende - sondern daran, was den Menschen ausmachte, als er gesund und glücklich war. Das war es! Ich entschied mich genau dazu. Ich habe also beschlossen, mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn Akiko NICHT gestorben wäre. Sie war außerdem ein junges Mädchen,
voller Energie und Hoffnungen. Das war meine Idee, als ich dieses Konzert schrieb.“
Shelly Kupferberg:
„Wenn wir uns die Musik zu den einzelnen Instrumenten vornehmen: Da ist die Hubay-Stradivari, die heute von dem Konzertmeister eines großen deutschen Orchesters gespielt wird, ein Instrument, das jahrelang eingemauert war – da ist ein Kontrabass, der in Polen blieb und später durch den Solobassisten des Israel Philharmonic Orchestra nach Israel kam – und da ist natürlich das Klavier, dass den Atombombenabwurf auf Hiroshima überlebte – wie sehr haben Sie diese Geschichten beim Komponieren inspiriert? Welche Fragen haben Sie sich gestellt?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“Of course at the point.../ Ich wollte vor allem zunächst sichergehen, dass nicht nur meine Musik, sondern das gesamte Werk, das Narratorium, funktionieren würde. Mir war wichtig, dass tauchgold meine Musik nutzen könnte, wie es in das gesamte Werk am besten passte. Diese Instrumente und ihre Geschichten fanden und finden ja an sehr unterschiedlichen Orten dieser Welt statt. Was für mich sofort feststand: Sie dürfte keine folkloristische Anmutung haben, keine typischen lokalen Musiktraditionen aus den entsprechenden Orten beinhalten – das wäre mir zu einfach, zu oberflächlich. Und darum geht es auch nicht in diesem Narratorium! Es sollte viel mehr um die jeweilige Geschichte der Instrumente gehen, und wie sie dann mit den MusikerInnen zusammenkommen, musikalisch und künstlerisch. Und der Text macht das sehr schön deutlich, wie diese Geschichten gewissermaßen gereist sind, von wo sie kamen und wohin sie gingen.“
Shelly Kupferberg:
„Die einzelnen Stücke heißen auch „The Journey of Bass“, „Time“, „Meditation“, „Unruhe“ (Disquiet), „Footsteps“, „Gebetsglocken“ (Prayer Bells)… Was macht es zum Beispiel mit dem Bassisten, der das Gefühl hat, es könnte der in Polen zurückgelassene Bass seines Vaters sein? Wie und was haben Sie hierfür komponiert?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I wrote several bass solos…/Ich habe beispielsweise diverse Bass-Soli geschrieben, und Melodien, die klingen, als würde sich jemand fortbewegen, zu Fuß vielleicht. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was für Material tauchgold brauchen könnte, um es dann flexibel einzusetzen, so, wie es passt. Es war von Beginn an klar, dass ich richtige Musik schreiben sollte und durfte, es ging niemals darum, einfach nur einen Text
musikalisch zu illustrieren. Mir wurde dabei nichts vorgegeben, und ich habe wiederum meinerseits an keiner Stelle vorgegeben, wo welches der Stücke zum Einsatz kommen sollte. Es war also eine schöne gegenseitige „chemische Reaktion“, die da zustanden kam! Und das ist ein großes Glück! Die Instrumente selbst haben meine Musik beeinflusst und gaben mir die Inspiration für die Komposition. Und die Frage: Wer spielt
dieses Instrument? Das ist für mich eine wichtige Frage. Und so kommen wir zum Anfang unseres Gesprächs zurück: Instrumente haben ein Gedächtnis, aber nur, wie sie von Menschen gespielt werden – und das ist das, woher die Inspiration kommt, und: woher die Geschichten kommen!“
Shelly Kupferberg:
„Dai Fujikura, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!“
„Welche Bedeutung räumen wir Menschen den Dingen ein? Kann ein Gegenstand, kann
ein Instrument so etwas wie Persönlichkeit entwickeln? Erinnert sich - oder vielleicht
besser: wie erinnert sich ein Instrument seiner Spieler? Was überhaupt ist Erinnerung, was Vergessen? Diesen Fragen gehen die Musiker*innen eines Klaviertrios nach, als sie zu einem Friedenskonzert in Hiroshima eingeladen werden. Das Narratorium „Geborgte Landschaft“ von tauchgold geht all diesen Fragen nach. Erzählt werden die Geschichte dreier Instrumente, einem Klavier, einer Violine, einem Kontrabass. Instrumente, die historischen Extremsituationen ausgesetzt waren. Wie sehr sind diese Geschichten in ihnen eingespeichert?
Die Musik zu diesem Narratorium hat Dai Fujikura komponiert – Jahrgang 1977, er ist in
der Präfektur Osaka geboren und ging im Alter von 15 Jahren nach London, um am King’s College London und am Royal College of Music zu studieren. Seine Werke sind mehrfach ausgezeichnet worden und wurden von Interpreten, wie Pierre Boulez, Péter Eötvös, Gustavo Dudamel, Susanna Mälkki, Jonathan Nott, Matthias Pintscher und dem Arditti Quartett aufgeführt. Ich hatte die Gelegenheit, mit Dai Fujikura zu sprechen. Ich grüße Sie! Hello Dai Fujikura! Dai Fujikura: Der Titel dieses „Narratoriums“ von tauchgold lautet „Geborgte Landschaft“, er spielt auf ein Konzept aus der japanischen Gartenarchitektur an – ein Titel, der Sie auch musikalisch anspricht, läßt er sich für Sie in Musik übersetzen?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I did’d really…/Ich habe vom Titel nicht wirklich Notiz genommen, als ich anfing, daran zu arbeiten, ich habe mich vielmehr auf die Geschichte konzentriert, einfach: weil es eine Geschichte ist! Denn: Ich liebe es, Musik als eine erzählte Geschichte zu betrachten. Tauchgold hat mir von Anfang zu verstehen gegeben, dass die Musik in ihrem Stück gleichberechtigt zum Einsatz kommen soll, es sollte keine Musik werden, die einfach begleitet - was mich natürlich sehr gefreut hat! Und so habe ich mich weniger von der Idee eines japanischen Gartens leiten lassen, sondern sehr viel mehr von der eigentlichen Geschichte, die hier erzählt wird, oder besser: Die wir gemeinsam erzählen wollten mit der Musik.“
Shelly Kupferberg:
„Nachgedacht wird u.a. über die Frage, ob Instrumente eine Erinnerung haben – was meinen Sie, haben Sie eine?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
„I think they do! / Ich glaube schon. Ich kenne natürlich Musiker, die sich ihre Instrumente anfertigen lassen, aber selbst, wenn Du dann nicht mehr darauf spielst -aus Altersgründen oder weil Du stirbst - wird das Instrument ja nicht vernichtet. Dann übergibst Du es ja der Nachwelt, Du gibst es weiter. Es wäre seltsam, nicht davon auszugehen, dass Instrumente eine Erinnerung haben – es muss so sein! Vor allem Instrumente, die aus Holz gefertigt sind, aus einem natürlichen Material. Das ursprüngliche Holz hat ja bereits eine eigene Geschichte, bevor es zu einem Instrument verarbeitet worden ist. Die MusikerInnen leben also mit dieser Geschichte in ihren Instrumenten. Ich denke, das ist eines der magischen Dinge, die mit Musikinstrumenten verbunden sind, und die wiederum die Beziehung zu den Instrumentalisten ausmachen.“
Shelly Kupferberg:
„Es geht um die Geschichte eines Klavieres, eines Kontrabasses und einer Violine – dieses Klavier ist Ihnen bekannt: Das Klavier von Akiko, dass die Atombombe auf Hiroshima überlebt hat – Sie haben dieses Instrument kennengelernt. Können Sie uns darüber ein wenig mehr erzählen? „
Dai Fujikura/Voice-Over:
“Yes, this has been a really interesting journey for me.../Ja, das war eine sehr
interessante Reise für mich! Die Idee war, ein Klavierkonzert für dieses Instrument zu
komponieren. Ich hätte das Ganze bei mir zu Hause in London schreiben können. Aber ich fühlte, dass ich dafür just dieses Instrument treffen werden müsste. Und so entschied ich mich dafür, nach Hiroshima zu reisen. Dieses Klavier stand damals weit entfernt von irgendwelcher Infrastruktur, irgendwo auf dem Land. Es war nicht einfach, dorthin zu gelangen. Vier Tage lang habe ich dann mit diesem Instrument viel Zeit verbracht. Wichtig zu erwähnen ist, dass dieses Klavier beschädigt ist. Es hat immerhin den Atombombenabwurf überlebt. Es trägt zum Beispiel Scherben in sich. Man hat versucht, es zu reparieren, konnte aber nicht alles wieder in Ordnung bringen – und so können einige Töne darauf nicht gespielt werden. Man hört bei einigen Tasten sehr viel mehr mechanische Geräusche, oder gong-artige Klänge. Es hat dadurch seinen ganz eigenen Charakter.
Ich lebte also mit dem Instrument und vielen Fotos von dem Mädchen Akiko, das darauf gespielt hatte und die hier ausgestellt sind, auch ihre Tagebücher finden sich hier. Ich habe versucht, so viel wie möglich von diesem sehr speziellen Instrument in die Komposition einfließen zu lassen, es hat die Musik absolut beeinflusst – hätte ich das Ganze zu Hause komponiert, wäre es ein ganz anderes Werk geworden.
Shelly Kupferberg:
„Was war es für Sie für ein Gefühl, darauf zu spielen?„
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I wasn’t sure I could even touch it.../ Ich wusste zunächst nicht, ob ich in der Lage sein
würde, es anzufassen, es zu spielen... noch dazu haben mich die vielen Fotos von
Akiko, die um das Instrument herumstanden, einfach überwältigt. Akiko: Sie wirkt durch die Fotos so lebendig! Wir sehen sie darauf in allen Altersstufen. Wir begleiten sie durch ihr Leben. Sie war 19 Jahre alt, als sie kurz nach dem Atombombenabwurf starb. Ich musste das Ganze auf mich wirken lassen und darüber nachdenken, was ich nun mit alledem anfangen würde. Die Charakteristik dieses Klaviers ist so speziell. Das ist kein normales Klavier. Und genau das sollte in dem Werk deutlich werden. Denn dieses Klavier ging durch eine ganz eigene Geschichte.“
Shelly Kupferberg:
„Sie haben für dieses Instrument ein ganzes Konzert geschrieben: Woran haben Sie sich musikalisch dabei orientiert? Wie ließ sich für Sie die Geschichte dieses Instruments und seiner einstigen Besitzerin in Musik fassen?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“As a composer: What do you do? / Als Komponist - was machst Du in einem solchen Fall? Ganz klar: Das Ganze ist eine Tragödie! Und es passierte vor langer Zeit. Was also machst Du? Schreibst Du ein Requiem? Ich wollte auf keinen Fall traurige Musikschreiben. Ich wollte die Menschen nicht dazu zwingen, sich traurig zu fühlen. Ich wollte keine Musik schreiben, die die Geschichte emotional in Szene setzt. Und auch keine
Bombe musikalisch inszenieren, die explodiert. Ich denke, es wäre eine zu wohlfeile Angelegenheit gewesen, diese Geschichte musikalisch eins-zu-eins zu erzählen. Kein Requiem, keine bombastische Orchestermusik! Tja, das ist nicht einfach!! Ich habe lange nachgedacht. Ein von mir sehr geschätzter Musiker erzählte mir in dieser Zeit davon, was Heiler tun, wenn sie einen kranken, einen sterbenden Menschen begleiten: Sie denken nicht an das Vergehen, an das Ende - sondern daran, was den Menschen ausmachte, als er gesund und glücklich war. Das war es! Ich entschied mich genau dazu. Ich habe also beschlossen, mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn Akiko NICHT gestorben wäre. Sie war außerdem ein junges Mädchen,
voller Energie und Hoffnungen. Das war meine Idee, als ich dieses Konzert schrieb.“
Shelly Kupferberg:
„Wenn wir uns die Musik zu den einzelnen Instrumenten vornehmen: Da ist die Hubay-Stradivari, die heute von dem Konzertmeister eines großen deutschen Orchesters gespielt wird, ein Instrument, das jahrelang eingemauert war – da ist ein Kontrabass, der in Polen blieb und später durch den Solobassisten des Israel Philharmonic Orchestra nach Israel kam – und da ist natürlich das Klavier, dass den Atombombenabwurf auf Hiroshima überlebte – wie sehr haben Sie diese Geschichten beim Komponieren inspiriert? Welche Fragen haben Sie sich gestellt?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“Of course at the point.../ Ich wollte vor allem zunächst sichergehen, dass nicht nur meine Musik, sondern das gesamte Werk, das Narratorium, funktionieren würde. Mir war wichtig, dass tauchgold meine Musik nutzen könnte, wie es in das gesamte Werk am besten passte. Diese Instrumente und ihre Geschichten fanden und finden ja an sehr unterschiedlichen Orten dieser Welt statt. Was für mich sofort feststand: Sie dürfte keine folkloristische Anmutung haben, keine typischen lokalen Musiktraditionen aus den entsprechenden Orten beinhalten – das wäre mir zu einfach, zu oberflächlich. Und darum geht es auch nicht in diesem Narratorium! Es sollte viel mehr um die jeweilige Geschichte der Instrumente gehen, und wie sie dann mit den MusikerInnen zusammenkommen, musikalisch und künstlerisch. Und der Text macht das sehr schön deutlich, wie diese Geschichten gewissermaßen gereist sind, von wo sie kamen und wohin sie gingen.“
Shelly Kupferberg:
„Die einzelnen Stücke heißen auch „The Journey of Bass“, „Time“, „Meditation“, „Unruhe“ (Disquiet), „Footsteps“, „Gebetsglocken“ (Prayer Bells)… Was macht es zum Beispiel mit dem Bassisten, der das Gefühl hat, es könnte der in Polen zurückgelassene Bass seines Vaters sein? Wie und was haben Sie hierfür komponiert?“
Dai Fujikura/Voice-Over:
“I wrote several bass solos…/Ich habe beispielsweise diverse Bass-Soli geschrieben, und Melodien, die klingen, als würde sich jemand fortbewegen, zu Fuß vielleicht. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was für Material tauchgold brauchen könnte, um es dann flexibel einzusetzen, so, wie es passt. Es war von Beginn an klar, dass ich richtige Musik schreiben sollte und durfte, es ging niemals darum, einfach nur einen Text
musikalisch zu illustrieren. Mir wurde dabei nichts vorgegeben, und ich habe wiederum meinerseits an keiner Stelle vorgegeben, wo welches der Stücke zum Einsatz kommen sollte. Es war also eine schöne gegenseitige „chemische Reaktion“, die da zustanden kam! Und das ist ein großes Glück! Die Instrumente selbst haben meine Musik beeinflusst und gaben mir die Inspiration für die Komposition. Und die Frage: Wer spielt
dieses Instrument? Das ist für mich eine wichtige Frage. Und so kommen wir zum Anfang unseres Gesprächs zurück: Instrumente haben ein Gedächtnis, aber nur, wie sie von Menschen gespielt werden – und das ist das, woher die Inspiration kommt, und: woher die Geschichten kommen!“
Shelly Kupferberg:
„Dai Fujikura, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!“