Hörspiel: Bewegte Geschichte einer Mustersiedlung

Föhrenwald

Das Gelände von Föhrenwald, ca. 1956
Das Gelände von Föhrenwald, ca. 1956 © Stadtarchiv Geretsried / Günther Fechner
Von Michaela Melián |
Die 1937 in München gebaute Siedlung Föhrenwald hat eine wechselvolle Geschichte. Sie diente als Lager für Zwangsarbeiter:innen und als Auffanglager für Überlebende des Holocaust, die auf eine Ausreise hofften. Erst ab 1955 zogen erste Bewohner:innen freiwillig ein.
Die wechselvolle Geschichte der 1937 in München gebauten Mustersiedlung Föhrenwald bildet sich auch in der Benennung ihrer Straßen und Plätze ab: Der Adolf-Hitler-Platz wurde zum Independence Place, dann zum Kolping-Platz. Die Siedlung diente als geschlossenes Lager für Zwangsarbeiter der Pulver- und Munitionsfabriken in Geretsried, nach dem Zweiten Weltkrieg als Auffanglager für "Displaced Persons" unter amerikanischer Militäraufsicht: Europäische, meist polnische Juden, Überlebende des Holocaust, hofften hier als heimatlose Ausländer auf eine Ausreise nach Israel oder Amerika. Erst ab 1955 zogen in Föhrenwald erste Bewohnerinnen und Bewohner freiwillig ein, kinderreiche Familien und Heimatvertriebene, die sich Siedler nannten. Michaela Melián erzählt die Geschichte des Ortes anhand von Erlebnisberichten, die sie in einer ausführlichen Recherche zusammentrug.
Hauptgebäude Föhrenwald, ca. 1956
Hauptgebäude Föhrenwald, ca. 1956 © Stadtarchiv Geretsried / Günther Fechner
Das Hörspiel "Föhrenwald" wurde 2005 als Hörspiel des Monats Juli ausgezeichnet und erhielt 2005 den ARD Online Award sowie den Hörspielpreis der Kriegsblinden 2006.
Das Projekt "Föhrenwald" umfasst das Hörspiel und eine begehbare Föhrenwald-Installation, die 2005 in Frankfurt und in München eingerichtet und vom kunstraum muenchen präsentiert wurde.
Hörspiel des Monats Juli 2005, Begründung der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste:
"Mit sicherem Gespür für die Wirkung des Minimalen – das betrifft die Auswahl der Erlebnisberichte wie ihren Vortrag – verweben Michaela Melián und Carl Oesterhelt den Stoff zu einem emotionalen Stück, das weit über die Ausbreitung der Fakten hinaus trägt. Wesentlich ist dabei die Leistung der Schauspieler, Kinder wie Profis, die ihren Text mehr ausatmen als aufsagen und damit die ungeheuerliche Menschenverschiebung so beiläufig vortragen wie sie den Betroffenen auch angetan wurde. Die Schauspielführung kommt so dem ‚Soundtrack‘ entgegen, der sich schon bald zu dem entwickelt, was er im Wortsinn sein kann: ein tönender Pfad. Gesampelte Passagen aus zeitgenössischen Klassikeinspielungen – gleich zu Beginn eine Ahnung von Beethovens ‚Mondscheinsonate‘ – leiten den Hörer in eine andere Zeit, die allerdings mitgefühlt wird und nicht zur Information erstarrt."

Schwerpunkt: Stationen der Flucht
Föhrenwald
Von Michaela Melián
Übersetzung: Jacqueline Todd
Regie: die Autorin
Mit: Philip Götz, Leonie Hofmann, Gabriel Ascanio-Hecker, Marion Breckwoldt, Peter Brombacher, Eva Gosciejewicz, Hans Kremer, Anna Barbara Kurek, Stefan Merki, Stephan Zinner
Komposition: Michaela Melián und Carl Oesterhelt
Ton und Technik: Hans Scheck, Angelika Haller
Produktion: BR 2005
Länge: 55'31

Michaela Melián, Künstlerin und Musikerin, lebt in München und Hamburg. Sie ist Mitglied in der Band F.S.K. und arbeitet als Professorin für Zeitbezogene Medien an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg.