Der Platz
Von Annie Ernaux
Aus dem Französischen von Sonja Finck
Bearbeitung und Regie: Erik Altorfer
Komposition: Martin Schütz
Mit Stephanie Eidt
Produktion: hr 2020
Der Platz
Die eigene Geschichte, auch die eigene Familie, ist Annie Ernaux‘ literarisches Thema. Nach dem Tod des Vaters schreibt sie, die studiert hat und Gymnasiallehrerin geworden ist, über ihn, den Bauernsohn, Fabrikarbeiter und Kneipenwirt. Sie schreibt, weil sie mit ihrer Herkunft gebrochen hat, weil sie und ihr Vater sich nichts mehr zu sagen hatten.
Und doch versucht sie über das Schreiben, über die Sprache sich wieder ihrem Vater anzunähern, zu erklären, wie sie zur sozialen Überläuferin ins Bürgertum geworden ist. Sie beschreibt, wie sie jetzt das Leben des Vaters aus der Bedeutungslosigkeit zu holen versucht, in die sie es - und damit auch ihr eigenes früheres Leben - verdrängt hatte. Ist das der Preis des sozialen Aufstiegs: die Verleugnung und Verdrängung der Herkunft, des Geschmacks, der Sprache und der Umgangsformen? Es ist ein Schreibprozess, der selbstverständlich keine Freude bereitet und zwischen der Welt des Vaters und der Welt der Tochter balanciert. „Vielleicht sein größter Stolz, sogar sein Lebenszweck: dass ich eines Tages der Welt angehöre, die auf ihn herabgeblickt hattte“, konstatiert Ernaux. Mit „Der Platz“ hat Annie Ernaux neue Maßstäbe des autobiografischen Schreibens gesetzt, indem sie das Thema der sozialen Herkunft und deren Überwindung in den Fokus nimmt.
Im Anschluß an das Hörspiel:
"Rebellion(s)" - Von Olympe de Gouges bis Greta Thunberg
Das neue Album des Jazzmusikers Sylvain Rifflet
von Karl Lippegaus