Hörspiel des Jahres 2016

Evangelium Pasolini

Undatierte Aufnahme des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini.
Undatierte Aufnahme des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini. © picture-alliance / dpa - ANSA
Von Arnold Stadler und Oliver Sturm |
Pier Paolo Pasolini bekannte sich zu Kommunismus und Homosexualität – und verfilmte 1964 das Matthäus-Evangelium.
Er zeigt Jesus als bedingungslosen Fürstreiter der einfachen Leute. Über 50 Jahre später lässt sich auch Pasolini als eine solche Figur lesen: als unangepassten Ankläger gegen die Obrigkeit. 1975, in der Nacht zu Allerseelen, fand er gewaltsam und bis heute ungeklärt den Tod. Biographisches, Filmausschnitte, Seheindrücke und Evangelium verschmelzen zu einem akustischen Bild.
Ausschnitt
Begründung der Jury zur Wahl von "Evangelium Pasolini" als Hörspiel des Jahres 2016:
'Die Evangelien gehören zu den Grundtexten der Menschheit. Der Schriftsteller Arnold Stadler hat in seinem Roman "Salvatore" einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift des Christentums gefunden. Er legt seine Erfahrung mit Pasolinis berühmtem Film "Das 1. Evangelium nach Matthäus" über seine Deutung. Der Hörspielregisseur Oliver Sturm denkt in seiner Adaption von Stadlers Text diese Verbindung zu Ende, indem er die Leidensgeschichte Christi mit der Ermordung des radikalen italienischen Schriftstellers kurzschließt. In seinem Hörspiel entsteht eine faszinierende Schichtung verschiedener Erzählebenen. Arnold Stadler kommt dabei sowohl als Erzählerfigur wie im Originalton zum Zuge. Oliver Sturms Zugriff auf das Neue Testament in der Bibel-Reihe des Hessischen Rundfunks gelingt eine politische Aktualisierung, die unter die Haut geht.'
Anschließend:
Die "Hamburger Rede" von Hans Henny Jahnn (1946), gelesen von Markus Meyer.

Regie: Oliver Sturm
Mit: Tilo Werner, Udo Schenk, Heinrich Giskes, Hanns-Jörg Krumpholz, Katharina Bach, Monika Dortschy, Arnold Stadler
Ton: Ursula Potyra, Julia Kümmel
Produktion: HR/Deutschlandfunk 2016
Länge: 65'34
(Wdh. v. 08.10.2016)

Arnold Stadler, 1954 in Meßkirch geboren, studierte katholische Theologie in München, Rom und Freiburg, anschließend Literaturwissenschaft. Er arbeitet als Schriftsteller, Essayist und Übersetzer. Neben zahlreichen anderen Literaturpreisen erhielt er 1999 den Georg-Büchner-Preis für seine autobiographisch inspirierten Romane wie etwa "Ich war einmal" (1989), "Ein hinreißender Schrotthändler" (1999) oder "Salvatore" (2008). "Evangelium Pasolini" wurde von der Jury der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Jahres 2016 gewählt.
Oliver Sturm, geboren 1959, Promotion über Beckett, arbeitete als Lektor, Dramaturg und Redakteur, war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Deutsche Literatur in Hannover. Seit 1996 ist er freier Hörspiel- und Theaterregisseur, lebt in Berlin. Für die Bibel-Reihe des Hessischen Rundfunks, zu der auch "Evangelium Pasolini" gehört, schrieb und inszenierte er das Hörspiel "King of Kings" (2014) und führte Regie bei Feridun Zaimoglus "Paulus". Zahlreiche weitere Hörspielproduktionen in den letzten Jahren, so z.B. "Jeff Koons" von Rainald Goetz (SWR/NDR 1999), "Immer dein, tuissimus – ein Kapitel aus Dream" von Samuel Beckett (HR 2006), "Kampf im Äther oder Die Unsichtbaren" (HR 2007), "Gnosis oder: Die Moabiter" (HR 2011).