Hörspiel des Monats August 2024
Mein Sohn, Nephew and Bácsi! - Ephraim Kishon und Friedrich Torberg
Von Ephraim Kishon und Friedrich Torberg
Übersetzung: Dagmar Roth und David Axmann
Bearbeitung: Christian Papke und Leonhard Koppelmann
Regie: Leonhard Koppelmann
Mit Michael Maertens und Christoph Grissemann
Produktion: ORF 2024
Hörspiel des Monats August 2024
In ihrem Briefwechsel fechten Ephraim Kishon und sein Übersetzer Friedrich Torberg mal heitere, mal tragikomische und auch tragische Szenen aus. © Andrey Yudin / EyeEm
Mein Sohn, Nephew and Bácsi!
Zum 100. Geburtstag von Ephraim Kishon. Beide hießen sie Ephraim, obwohl man einen von ihnen eher als Friedrich kannte, beide liebten guten Humor, waren in ihrer Jugend Wasserballer und stammten, der eine mehr, der andere etwas weniger, aus Ungarn.
Das Hörspiel wurde von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zum Hörspiel des Monats August 2024 gekürt.
Aus der Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:
„Es ist ein auf den ersten Blick harmloser, wenn auch der vielleicht amüsanteste Briefwechsel zwischen einem Autor und seinem Übersetzer, den dieses ORF-Hörspiel dokumentiert: Auf der einen Seite Ephraim Kishon, der in diesem Jahr 100 geworden wäre, auf der anderen der Übersetzer von zehn seiner Bücher, der österreichisch-jüdische Kritiker und Autor Friedrich Torberg. Von der förmlichen Erst-Anrede „Lieber Professor Torberg" dauert es in diesem 20 Jahre währenden Nachkriegs-Kontakt der beiden jüdischen Autoren nicht lange, bis man lockere Begrüßungsformeln wählt. Sie schwanken zwischen schulterklopfender Kumpanei und dem Versuch der Degradierung mit ironischem Unterton. Da heisst es dann schon einmal „Dear Old Man" oder ganz offen ätzend „Ephraim, my beloved Sargnagel!".
Unter dem Deckmäntelchen der Ironie und der Bewunderung füreinander fechten die beiden Dichter trotz vieler Huldigungen und lakonischer Heiratsanträge Grabenkämpfe aus. Torberg, der kein Hebräisch konnte, übersetzte Kishon über den Umweg des Englischen. Er soll dabei einzelne Spitzen und Pointen in Eigenregie entfernt haben, weshalb es, sobald der nach Israel emigrierte Ungar besser Deutsch gelernt hatte, zu Reibungen in Deutungsfragen kommt. Torberg kontert Einwände des Autors selbstbewusst bis überheblich: Sein Deutsch sei makellos. Er schreibe überdies „genau das, was du eigentlich hättest schreiben wollen." Hochmut muss man sich allerdings leisten können, und die Einnahmen, welche der Kritikerpapst mit den Übersetzungen des vermeintlich literarisch weniger wertvollen Autors generierte, sollen ihm manches Loch in der Kasse gestopft haben. Kishons Bücher verkauften sich nämlich bald als Bestseller - von der Gesamtauflage, 43 Millionen, wurde das Gros von 31 Millionen im deutschen Sprachraum abgesetzt. Den Erfolg ausgerechnet bei seinen „ehemaligen Henkern" kommentiert Kishon mit Genugtuung. In seinen satirischen Alltagsgeschichten ist der Holocaust fast vollständig ausgeblendet, was, so suggeriert mancher Literaturwissenschaftler, den Erfolg seiner heiter-hintersinnigen Alltagsgeschichten mitbegründet; versöhnliches Miteinander-Lachen, aber bitte sehr ohne düstere Schuldgefühle. Einzig in Bezug auf den Jom-Kippur-Krieg 1973 verebbt jegliche Ironie der Schreibenden und weicht dem Ärger und der Trauer über den «Verrat» der westlichen, auch der literarischen, Welt, die sich jeder Solidaritätsbekundung enthält. „Wir haben keinen einzigen Freund auf der Welt", stellt Kishon ernüchtert aus Tel Aviv fest, „Israel ist eine winzige Insel, die nicht von Wasser, sondern von Hass umgeben ist." Und doch sei es das Land, das ihm seine Menschenwürde zurückgegeben habe. Kriegerischer Auseinandersetzung mit Ironie begegnen, das ist beim vorliegenden Briefwechsel nicht immer erfolgreich. Und so kann man sich schließlich fragen, ob hinter dem Geplänkel, den Foppereien und augenzwinkernden Haarspaltereien dieser wortgewandten Herren nicht eher ein nüchternes, nutznießerisches Arbeitsverhältnis als eine „Freundschaft" steht, wie im Untertitel der Briefausgabe suggeriert. Da mag die musikalische Begleitung durch eine jiddische „Cover-Band" ein Übriges zur gefühlten Oberflächlichkeit der Begegnung beisteuern, die sich nicht selten in Hahnenkämpfen und einem eitlen Wortgefecht verliert. Das erneute Aufleben des Nahostkonfliktes im Jetzt zwischen Israel und Palästina schwingt bei den Hörenden als traurige Aktualität mit. Und hier wie auch im Briefwechsel scheint es unmöglich, darauf mit Ironie zu reagieren."
Unter dem Deckmäntelchen der Ironie und der Bewunderung füreinander fechten die beiden Dichter trotz vieler Huldigungen und lakonischer Heiratsanträge Grabenkämpfe aus. Torberg, der kein Hebräisch konnte, übersetzte Kishon über den Umweg des Englischen. Er soll dabei einzelne Spitzen und Pointen in Eigenregie entfernt haben, weshalb es, sobald der nach Israel emigrierte Ungar besser Deutsch gelernt hatte, zu Reibungen in Deutungsfragen kommt. Torberg kontert Einwände des Autors selbstbewusst bis überheblich: Sein Deutsch sei makellos. Er schreibe überdies „genau das, was du eigentlich hättest schreiben wollen." Hochmut muss man sich allerdings leisten können, und die Einnahmen, welche der Kritikerpapst mit den Übersetzungen des vermeintlich literarisch weniger wertvollen Autors generierte, sollen ihm manches Loch in der Kasse gestopft haben. Kishons Bücher verkauften sich nämlich bald als Bestseller - von der Gesamtauflage, 43 Millionen, wurde das Gros von 31 Millionen im deutschen Sprachraum abgesetzt. Den Erfolg ausgerechnet bei seinen „ehemaligen Henkern" kommentiert Kishon mit Genugtuung. In seinen satirischen Alltagsgeschichten ist der Holocaust fast vollständig ausgeblendet, was, so suggeriert mancher Literaturwissenschaftler, den Erfolg seiner heiter-hintersinnigen Alltagsgeschichten mitbegründet; versöhnliches Miteinander-Lachen, aber bitte sehr ohne düstere Schuldgefühle. Einzig in Bezug auf den Jom-Kippur-Krieg 1973 verebbt jegliche Ironie der Schreibenden und weicht dem Ärger und der Trauer über den «Verrat» der westlichen, auch der literarischen, Welt, die sich jeder Solidaritätsbekundung enthält. „Wir haben keinen einzigen Freund auf der Welt", stellt Kishon ernüchtert aus Tel Aviv fest, „Israel ist eine winzige Insel, die nicht von Wasser, sondern von Hass umgeben ist." Und doch sei es das Land, das ihm seine Menschenwürde zurückgegeben habe. Kriegerischer Auseinandersetzung mit Ironie begegnen, das ist beim vorliegenden Briefwechsel nicht immer erfolgreich. Und so kann man sich schließlich fragen, ob hinter dem Geplänkel, den Foppereien und augenzwinkernden Haarspaltereien dieser wortgewandten Herren nicht eher ein nüchternes, nutznießerisches Arbeitsverhältnis als eine „Freundschaft" steht, wie im Untertitel der Briefausgabe suggeriert. Da mag die musikalische Begleitung durch eine jiddische „Cover-Band" ein Übriges zur gefühlten Oberflächlichkeit der Begegnung beisteuern, die sich nicht selten in Hahnenkämpfen und einem eitlen Wortgefecht verliert. Das erneute Aufleben des Nahostkonfliktes im Jetzt zwischen Israel und Palästina schwingt bei den Hörenden als traurige Aktualität mit. Und hier wie auch im Briefwechsel scheint es unmöglich, darauf mit Ironie zu reagieren."
Anschließend: Hauptsache Hörspiel
- Folge 25