Hörspiel des Monats

Die Anhörerin

Stempel mit den Aufschriften Asyl und Abschiebung.
Asyl und Abschiebung © picture alliance / McPhoto
Von Andreas Unger |
Anne Schaller war mittelerfolgreiche Schauspielerin, bevor sie den Rufen ihres Vaters und ihrer inneren Stimme nachgab: Mach was gscheit's ...! Jetzt sitzt sie hier in einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wo sie lernt, wie man Asylanhörungen durchführt und über Anträge entscheidet.
Die Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:
"Das Hörspiel ,Die Anhörerin‘ (BR 2019, Autor: Andreas Unger) nimmt sich eines schwierigen Themenkomplexes in einer sehr kompakten Form an: In 36 Minuten Laufzeit werden grundsätzliche Fragen zu Themen wie Recht auf Asyl, Umgang mit Asylbewerbern sowie Wirkmächtigkeit der Funktion des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgeworfen.
Den narrativen Rahmen des Hörspiels bildet ein fiktives Entscheidungsverfahren innerhalb des BAMF, durchgeführt von der noch unerfahrenen Sachbearbeiterin Anne Schaller (gespielt von Susanne Schroeder), die vom Erstberuf der Schauspielerin in ein finanziell besser abgesichertes Berufsfeld gewechselt ist.
Das Hörspiel arbeitet zur Steigerung der Authentizität mit Zitationen bürokratisch entseelter Amtssprache, besonders durch Einsatz von Termini wie Aufenthaltsstatus, subsidiärer Schutz oder Ausreisehinderungsgrund, was schnell kafkaeske Assoziationen hervorruft: Regelmäßig wiederkehrende, nüchterne Diktat-Szenen stellen die Macht der Bürokratie symbolisch dar, vor allem deren Fühllosigkeit und kalte Rationalität im Umgang mit menschlichen Schicksalen.
Das Stilmittel des permanenten Wechsels von Innensicht der Hauptfigur, scheindokumentarischen Asylanhörungsszenen sowie privaten Disputen (mit plakativem Austausch von Stereotypen) verleiht dem Hörspiel spürbare Dynamik, Multiperspektivität und Eindringlichkeit, deren Ausgestaltung aber durchaus detaillierter und weniger episodenhaft sein könnte, um der Problematik, respektive Diffizilität des Themas noch gerechter zu werden.
,Die Anhörerin‘ zeigt exemplarisch das Leiden der Entscheiderin Anne Schaller am System des Aussortierens, an ihrer Platzierung auf der Schnittstelle zwischen Ankommen und Ablehnen. Empfindungen des Ausgeliefertseins werden mehr und mehr deutlich - sowohl bei den Asylbewerbern als auch bei der Entscheiderin. Ein Hörspiel, das nachdenklich stimmt und zur kritischen Reflexion über die Macht von Menschen über Menschen einlädt …"


Die Anhörerin
Von Andreas Unger
Komposition: Matthias Hauck, Nepomuk Heller
Regie: Teresa Hoerl
Mit Susanne Schroeder, Heinz Josef Braun, Markus Böker, Alexander Duda, Judith Toth, Stefan Hunstein und anderen

Produktion: BR 2019
Länge: 36'03

Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zeichnet jeden Monat ein Hörspiel aus den Produktionen der ARD-Anstalten aus. Die Entscheidung über das HÖRSPIEL DES MONATS trifft eine Jury, die jeweils für ein Jahr unter der Schirmherrschaft einer ARD-Anstalt arbeitet. Am Ende des Jahres wählt die Jury aus den 12 Hörspielen des Monats das HÖRSPIEL DES JAHRES.