Hörspiel des Monats

writing through genesis

Der Frankfurter Anglistikprofessor Klaus Reichert am 25.10.2002 bei einer Pressekonferenz in Darmstadt.
Der Frankfurter Anglistikprofessor Klaus Reichert am 25.10.2002 bei einer Pressekonferenz in Darmstadt. © picture-alliance / dpa / Werner Baum
von Klaus Reichert |
In Hommage an seinen Freund John Cage und dessen lautpoetische Texte "Writing through Finnegans Wake" übertrug Klaus Reichert die von Cage benutzte Methodik der Mesostics auf das erste Kapitel der Genesis, in Hebräisch, Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch und Englisch. Die vertikale Mittellinie ergibt jeweils die ersten beiden Wörter der Bibel "Im Anfang".
Die Begründung der Jury der Deutsche Akademie der Darstellenden Künste:
In diesem von Klangkunst-Einreichungen dominierten Dezember fiel die Auswahl auf die Sprachkomposition "Writing Through Genesis", nach einem Text von Klaus Reichert. Der Anglist, Übersetzer und Lyriker nahm sich im Zuge der Bibelreihe von hr2, die nach heutigen Perspektiven auf die alte Schrift fragt, der Schöpfungsgeschichte an. In Hommage an seinen Freund John Cage und dessen lautpoetische Texte "Writing through Finnegans Wake" übertrug Reichert die von Cage benutzte Methodik der Mesostics auf das erste Kapitel der Genesis, in Hebräisch, Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch und Englisch. Die vertikale Mittellinie ergibt jeweils die ersten beiden Wörter der Bibel „Im Anfang“. Kein besserer als Alessandro Bosetti hätte sich dieser vielsprachigen Textfragmente für eine Funkbearbeitung annehmen können. Denn auf der Grenzlinie zwischen Sprache und Musik balancieren die meisten seiner Radiostücke. Hier gelingt es ihm spielerisch, assoziativ, indem er die vom Vokalensemble Maulwerker eingesprochenen und eingesungenen Worte auf Silben reduziert, in Soundpartikel zerhackt, wiederholt und im Sinne der alten jüdischen kabbalistischen Tradition der Rekombination von Buchstaben zu immer neuen Klangformationen und Texturen kombiniert. Die sich aus Lauten unterschiedlicher Sprachen entwickelnde Komposition verweist auf das Bibelzitat „Im Anfang war das Wort“ und auf den Turmbau zu Babel und erinnert an die Tatsache, dass die heilige Schrift anfänglich eine oral tradierte war und dem Klang der Silben eine göttliche Kraft zugesprochen wurde. Bosetti und Reichert ist hiermit eine moderne und eigenwillige Interpretation der Schrift und liturgischer a Cappella Gesänge gelungen, dessen tieferer Sinn sich in den O-Ton-Fragmenten am Ende des Stücks offenbart: „Die frühen Rabbiner, die Kabbalisten waren der Meinung, dass in jedem Wort der (...) in jedem Wort dieses Werkes steckt das ganze Werk drin.“

Regie & Komposition: Alessandro Bosetti
Produktion: hr 2015
Länge: 43'54

Anschließend:
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