Hörspiel: Selbstverwirklichung am laufenden Band

How to protect your internal ecosystem

Szene aus der Aufführung der gleichnamigen Performance im Werk X.
Szene aus der Aufführung der gleichnamigen Performance im Werk X. © Markus Zahradnik
Von Mimu Merz und Miriam Schmidtke |
Der Fordismus wurde von einem Selbstverwirklichungsimperativ abgelöst. Wir repräsentieren das perfekte Selbst, studieren die besten Posen und wiederholen diese ständig. Man könnte diesen Alltag als eine neue Art der Fließbandarbeit beschreiben.
Um Computerchips herzustellen, sind Orte minimalster Luftverschmutzung nötig, sogenannte Reinräume. Die Fabrikarbeit ist monoton, sozial isoliert und folgt einem strengen Fertigungsprotokoll. Dort gefertigte Chips landen unter anderem in Smartphones. Die Digitalisierung, für die sie symbolisch stehen, sollte das fordistische Arbeitssystem am Fließband eigentlich abgelöst haben. An dessen Stelle ist jedoch ein Selbstverwirklichungsimperativ getreten, durch den wir lernen, perfekt zu repräsentieren. Die Konsequenz: Wir erlernen bestimmte Posen, die wir immer wieder aufführen. Unsere täglichen Handlungen werden gewissermaßen zur Fließbandarbeit. Wäre ein Rückzug aus diesem Kreislauf der Selbstverwirklichung nicht dringend nötig? Und wie könnte so ein Rückzug überhaupt ermöglicht werden? Ein rhythmisch präzise und atmosphärisch dicht komponiertes Hörstück, das aus einem choreografischen Bühnenstück entstanden ist.
Im Oktober 2019 wurde die Performance "How to protect your internal ecosystem" an der Schnittstelle von Regie, Video, Sound, Sprache und Choreografie im WERK X-Petersplatz in Wien aufgeführt. Die aus der Performance entwickelte Hörspielproduktion erhielt im Rahmen der Ö1 Hörspiel-Gala den Hörspiel-Publikumspreis 2020.

How to protect your internal ecosystem
Von Mimu Merz und Miriam Schmidtke
Bearbeitung: Oliver Brunbauer und Mimu Merz
Regie: die Autorinnen
Mit: Naemi Latzer, Mimu Merz
Ton und Technik: Martin Leitner, Mimu Merz und Oliver Brunbauer
Produktion: ORF Kunstradio 2020
Länge: 48'21

Mimu Merz ist seit 2003 als Künstlerin in den Bereichen mediale und bildende Kunst und seit 2009 als Musikerin und Vokalistin vor allem im Bereich elektronischer Musik tätig. Sie entwickelt intermediale, partizipative Installationen und Inszenierungen. 2011 SKE Jahrespreis, 2014 TRACK5 Jurypreis der Schule für Dichtung und Ö1, 2015 Teilnahme an der Red Bull Music Academy in Tokio, 2019 Lehrauftrag an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Miriam Schmidtke studierte Raumszenarien, Bühnenbild und Bildhauerei an der Universität der Künste und der Kunsthochschule Weißensee in Berlin und an der Kunsthochschule Musashino in Tokio. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt auf der Erschließung von Alltagsperformances und -bewegungen von Frauenfiguren, welche sie zu hyperchoreografierten synchronen Mehrkanalvideos und Performances verarbeitet. Sie lebt und arbeitet als Regisseurin und Medienkünstlerin in Wien und Berlin.
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