Und jetzt: Die Welt!
Gnadenlos und mit großer Zärtlichkeit porträtiert Sibylle Berg vier Frauen Anfang 20, die - schwankend zwischen Aggression und Apathie, Aufbruch und Abgeklärtheit - unsicher sind, wofür sie kämpfen sollen, und bei denen schon das Wort "wir" für berechtigte Skepsis sorgt. Sie sind klug, gut ausgebildet und leben in prekären Verhältnissen, weil auch das x-te Praktikum kein Geld bringt.
Sie verkaufen selbstgekochte Drogen im Internet, schreiben Mode-Blogs und steigern den Marktwert ihres Körpers im Fitnessstudio, obwohl sie den Markt verachten. Sie kommunizieren unablässig per Skype, SMS, Chat oder Telefon, und doch bleibt da ein Gefühl von überwältigender Einsamkeit. Eine junge Frau bilanziert ihr bisheriges Leben: früher Mitglied einer brutalen Mädchengang, heute friedlich Yoga, früher unbeholfenes Knutschen mit Jungs im Zeltlager, heute Gender-Fragen und die Projekte "Sex" und "Liebe" mit Männern oder Frauen, früher hochfliegende Ideale, heute Pragmatismus. Sehnsucht ist etwas, das man hauptsächlich aus Filmen kennt, Familie ein Verbund, den man sich selbst zusammenstellt, und immer lauert draußen die Welt, stellt Forderungen und diktiert Bilder, denen man unmöglich genügen kann.
Von Sibylle Berg
Regie: Stefan Kanis
Arrangements/Musik: Marina Frenk
Mit: Marina Frenk
Produktion: MDR 2015
Länge: 49'24
Regie: Stefan Kanis
Arrangements/Musik: Marina Frenk
Mit: Marina Frenk
Produktion: MDR 2015
Länge: 49'24
Sibylle Berg, deutsch-schweizerische Schriftstellerin, Journalistin und Dramatikerin, lebt heute in Zürich. 1962 in Weimar geboren, nach dem Abitur Ausbildung zur Puppenspielerin in Naumburg, die durch Ausreiseantrag drei Jahre später ohne Abschluss beendet wurde. 1984 Ausreise aus der DDR, ab 1996 Autorin und Kolumnistin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, seit 2013 Lehrauftrag im Bereich Dramaturgie an der Zürcher Hochschule der Künste.