Karl Marx: Das Kapital, Erster Band
Von Rimini Protokoll
Regie: Helgard Haug und Daniel Wetzel
Mit: Thomas Kuczynski, Lolette, Ulf Mailänder, Talivaldis Margevics, Jochen Noth, Christian Spremberg, Sascha Warnecke, Ralf Warnholz, Franziska Zwerg u.a.
Realisation: Rimini Protokoll
Produktion: Deutschlandfunk/WDR 2007
Länge: 49'21
Hörspiel: Karl Marx und die Experten des Alltags
Szene aus dem gleichnamigen Bühnenstück von Rimini Protokoll. © imago/ITAR-TASS
Karl Marx: Das Kapital, Erster Band
Die grundlegende Analyse von Karl Marx hat einen prominenten Platz im Kanon jener Bücher, die alle kennen und keiner gelesen hat. Die sieben Siegel dieses Buches sollen mit Hilfe von Menschen geöffnet werden, die mit ihm gelebt haben.
Für Helgard Haug und Daniel Wetzel ist „Das Kapital“ ein dramatischer Text – ein tragischer Text, keine Komödie. Aber es geht hier nicht um einen Abgesang und auch nicht um graue Theorie. Es geht nicht darum, wie die Regie es liest, sondern wer es überhaupt gelesen hat, nicht so sehr darum, was darin steckt, sondern wo in der Gesellschaft es steckt, wer es benutzt und kennt, unabhängig von politischer Couleur und wirtschaftlicher Praxis. Das ausgefeilte O-Ton-Hörspiel führt die Fäden eines internationalen Casting- und Forschungsprojektes zusammen, bei dem Menschen aus unterschiedlichen Gegenden des europäischen Kontinents in ihrer Sprache und mit ihren Biografien unterschiedliche Perspektiven auf dieses zu dicke Buch beitragen und vertreten.
Aus der Jurybegründung zum Hörspielpreis der Kriegsblinden 2008:
„Ein weiteres großartiges Stück der renommierten Gruppe ‚Rimini Protokoll‘ stellt auf erhellende Weise Experten des Alltags in einen artifiziellen Zusammenhang. Im Hörspiel ‚Karl Marx: Das Kapital, Erster Band‘ erforschen Helgard Haug und Daniel Wetzel, wo in der Gesellschaft dieses Buch, das jeder kennt und kaum einer gelesen hat, seine Spuren hinterlassen hat. Menschen setzen ihr Leben in Beziehung zu dem Werk. Der eine hat es gründlich studiert, die andere damit geheizt. Ein Wissenschaftler, ein blinder Plattensammler, ein früherer Maoist, ein Gewerkschafter, eine Prostituierte und andere erzählen von Habenwollen und Spielsucht, Anlagebetrug, von Menschen als Ware, Fetischen, vom Arbeitsalltag, vom Marxwein aus Trier, von Neokapitalismus und alter Ausbeutung.
Die authentischen Stimmen sind zu einem provokanten und zugleich kulinarischen Radio-Erlebnis komponiert. Brüche, Zusammenstöße, absurde Beziehungen und eine hintergründige Komik entstehen. Die Jury lobte diese zeitgemäße Weiterführung des Originalton-Hörspiels. Sie genoss subtilen Witz, scharfe politische Analyse, Geistreichelei und schließlich und vor allem den akustischen Mehrwert.“
Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel gründeten im Jahr 2000 das Theater-Label Rimini Protokoll und arbeiten seither in verschiedenen Konstellationen unter diesem Namen. Sie entwickeln ihre Bühnenstücke, Interventionen, szenischen Installationen und Hörspiele oft mit Expertinnen und Experten, die ihr Wissen und Können jenseits des Theaters erprobt haben. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Theaterpreis Faust, der Silberne Löwe der Theaterbiennale Venedig sowie der Deutsche Hörspielpreis und der Hörspielpreis der Kriegsblinden. „Karl Marx: Das Kapital, Erster Band“ wurde mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet. Zuletzt für Deutschlandfunk: „documenta parallax. Beobachtungen aus Athen“ (2017).