Die Bücherburg in Niedersachsen
Wer in die Bücherburg in der Gemeinde St. Johannes in Katlenburg kommt, tritt in eine Landschaft aus Papier ein. Rund eine Million Bücher lagern hier, zu Büchertürmen gestapelt. Viele der Bücher sind in der DDR geschrieben worden. Pfarrer Martin Weskott hat sie vor der Zerstörung bewahrt.
Wie ein Schäfer steht Pastor Weskott zwischen seinen Schützlingen: einer Million Bücher. In einer Scheune stapeln sie sich zu atemberaubenden Türmen und warten darauf, neu entdeckt zu werden. Viele der Bücher sind in der DDR geschrieben worden. Weskott hat sie vor der Zerstörung bewahrt.
Ein Zeitungsartikel machte Martin Weskott 1991 auf die Berge von Büchern aufmerksam, die auf einer Müllkippe in Plottendorf verrotten sollten. Zu seinem Erstaunen fand er unter den bereits von der Witterung zersetzten Büchern Werke von Stefan Heym, einem der bedeutendsten Schriftsteller der DDR. Auch Bücher von Jaroslav Seifert waren darunter, dem tschechischen Nobelpreisträger für Literatur.
Die Bücherrettung
"Bücher gehören nicht auf den Müll", befand der Pfarrer. Kurzer Hand organisierte er die Überbringung der Schriftstücke nach Westdeutschland. In einer alten Scheune auf dem Gelände der ehemaligen Klosteranlage der Gemeinde St. Johannes lagern inzwischen über 500.000 Exemplare. Weitere 500.000 Bücher bewahrt Weskott an anderen Orten auf. Die Bücherscheune erinnert an ein märchenhaftes Labyrinth. Enge Gänge, hohe Bücherwände und teils wackelige Türme laden zum Eintauchen in die Welt der Bücher ein.
Müll-Literaten lesen
Die Bücherburg wurde über die Jahre zu einem Ort des kulturellen Austauschs: Weskott organisierte zahlreiche Lesungen, zu denen er oft sogenannte "Müll-Literaten" einlud. So bezeichnet er die Autoren und Autorinnen, deren Bücher nach der Wende vernichtet werden sollten. Darunter Christa und Gerhard Wolf, Christoph Hein, Volker Braun, Wolfgang Hilbig aber auch viele weniger bekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
Bücher kaufen für den guten Zweck
Wer beim Stöbern auf Lektüre stößt, die er gerne mit nach Hause nehmen möchte, kann das gegen eine Spende tun. Das Geld kommt dem evangelischen Entwicklungshilfe-Projekt "Brot für die Welt" zugute. Für sein besonderes Engagement bekam Martin Weskott 1993 das Bundesverdienstkreuz. 2008 wurde er von der Deutschen Literaturkonferenz mit der Karl-Preusker-Medaille ausgezeichnet.
Das Eigenleben der Dinge
Aber warum hat das Buch in unserer Gesellschaft überhaupt so einen hohen Stellenwert? Und warum hängen wir unser Herz so oft an Dinge? Wie viel Macht haben die Gegenstände über uns? Darüber hat Autorin Maria Antonia Schmidt mit Lorenz Engell gesprochen. Er ist Professor für Medienphilosophie an der Bauhaus-Universität Weimar.