Bücherkampf und Wortgefechte
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Im Herbst 2017 hatten rechte Verleger und Autoren in turbulenten Szenen die Frankfurter Buchmesse als Bühne gekapert. Wie reagierte die Verlags-Branche ein Jahr später darauf? Hat es die "Neue Rechte" geschafft, den Diskurs zu "infizieren", wie sie es in ihren strategischen Schriften selbst fordert?
Erst waren da lautstarker Protest und Debatten. Dann kam es auch zu Handgreiflichkeiten und Tumult. Der AfD-Landtagsabgeordnete Björn Höcke war 2017 bei einer Veranstaltung des rechten Antaios Verlags auf der Frankfurter Buchmesse aufgetreten. Das provozierte Gegendemonstrationen. Am Ende mussten Sicherheitskräfte die beiden Seiten voneinander trennen. Mitten auf der Frankfurter Buchmesse schien es wieder ums Ganze zu gehen: Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Demokratie. 2018 sollte nun alles anders werden.
Timo Reinfrank ist Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung setzt sich seit Ende der 1990 Jahre für eine demokratische Zivilgesellschaft und gegen Rassismus und Antisemitismus ein. Reinfrank erinnert sich: "Es war eine sehr unangenehme Situation, direkt gegenüber von einem Stand von solchen organisierten und zum Teil auch gewaltbereiten Rechtsextremen zu stehen. Das war für uns so eine Situation permanenter Bedrohung. Und die haben auch immer den Konflikt, die Eskalation gesucht, nicht zuletzt, weil sie darüber Aufmerksamkeit bekommen." Deswegen freut er sich, dass die Buchmesse sich dieses Jahr für ein neues Sicherheitskonzept entschieden hatte.
Ab in die Sackgasse?
Um weiterhin Meinungsfreiheit zu gewährleisten, erlaubten die Messeveranstalter zwar auch 2018 wieder rechten Verlagen die Teilnahme. Aus Sicherheitsgründen wurden sie aber gebündelt und am Ende eines Ganges in Halle 4.1 platziert.
Dieter Stein, Chef-Redakteur der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit", fühlt sich auf‘s Abstellgleis geschoben. Die ganze Aufregung um die rechten Verlage kann er nicht verstehen: "Wir haben 7300 Aussteller auf der Buchmesse. Selbstverständlich muss die Messe aushalten, dass sie Austeller aus Diktaturen hat, dass wir fundamentalistisch-religiöse Verlage haben. Es gibt auch eine große Zahl linksradikaler Verlage und es ist doch ein Witz, wenn die Messe eine Handvoll rechter Verlage nicht erträgt."
Solidarität und Hass
Am Stand der "Jungen Freiheit" wurde das Buch "Kulturbruch 68" von Karl Heinz Weißmann vorgestellt. Die Rede vom "Zivilisationsbruch Auschwitz" (Adorno) wird darin aufgegriffen und auf die Generation der 1968er übertragen – ‘68 als die große Katastrophe der deutschen Nachkriegszeit. Gretchen Dutschke, die Witwe des Studentenführers Rudi Dutsche, widerspricht dieser Deutung vehement. In ihrem Buch "1968. Worauf wir stolz sein dürfen" beschreibt sie die 68er-Bewegung als Ausbruch aus der "Unfähigkeit zu Trauern" (Mitscherlich) und als Wendepunkt für die deutsche Gesellschaft. Auf die Umdeutung der Studentenbewegung durch die Neue Rechte angesprochen, antwortet Dutschke: "Das macht mich ein bisschen sauer. Aber es ist auch so dumm, was die sagen. Beängstigender finde ich diese Nazi-Kulturen, die entstehen, diese Hass-Kultur. Da müssen wir gegen stehen und demonstrieren."
Zwar hatte der neurechte Antaios Verlag für dieses Jahr seine Teilnahme an der Buchmesse abgesagt. Verleger Götz Kubitschek verbreitete zur Buchmesse dann aber das Gerücht, der Verlag sei an einen Zahnarzt aus dem Badischen verkauft worden. Am Ende erwies sich dessen Loci Verlag aber als bloße Tarnung, mit deren Hilfe sich der Antaios Verlag und sein Verleger eben doch auf die Messe "eingeschlichen" hatten.
Über Rechte reden
Auf den Buchmesse-Podien des vergangenen Jahres wurde noch heiß diskutiert, wie mit Rechten zu reden sei. Dieses Jahr luden das Satire-Magazin "Titanic" und die Satire-Partei "Die Partei" unter dem Motto "Über Rechte reden" ein. "Erleben Sie eine Gala der reißerischen Extraklasse. Eine Sternstunde des diskreditierenden Wortes. Ein Besuch im Braun-Bär-Streichelzoo, bei dem jeder Nazi genau die Fake-News aufgebunden bekommt, die er verdient", hieß es dort zur Begrüßung.
Die Abendgala findet unter dem Motto "Über Rechte reden" statt
Und Martin Sonneborn, EU-Abgeordneter von "Die Partei", versuchte als Hitler-Attentäter Stauffenberg, mit Augenklappe und Uniform ausstaffiert, die diesjährige Buchmessen-Lesung Björn Höckes zu stören. Zwar schaffte er es nur bis vor die verschlossenen Türen der Veranstaltung, doch die Aufmerksamkeit war ihm gewiss.
Radikalität und ihre Folgen
Das Gespräch mit der Kulturphilosophin Mirjam Schaub im Anschluss an die Reportage reflektiert Fragen rund um die Radikalisierung in Philosophie, Politik und Kunst. Ist Radikalität per se schlecht oder kann sie auch Kreativität fördern? Angesprochen auf die Taktiken der Neuen Rechten, Aufmerksamkeit zu generieren, antwortet Schaub:
"Es ist erschreckend zu sehen, dass sich aktuell rechte Ideologien schamlos aus dem Arsenal von Protestformen bedienen, die eigentlich in der Linken entwickelt worden sind. Die Linke sieht dem wie hypnotisiert zu, was sollen Linke jetzt tun? Fackelmärsche machen, sich Uniformen anziehen und im Gleichschritt marschieren, um wieder auf sich aufmerksam zu machen?!"