Mikrokosmos

Epochenwechsel im Gourmettempel

Das Kaufhaus des Westens in Berlin
Das Kaufhaus des Westens in Berlin © Deutschlandradio / Magdalena Bienert
Von Magdalena Bienert |
Kurfürstendamm, Tauentzien- und Budapester Straße: Adressen, die für das alte Lebensgefühl von Charlottenburg-Wilmersdorf stehen. Kleinstadtflair mit einem Touch Bohème. Allerdings: Immer mehr Institutionen schließen oder werden einer Frischzellenkur unterzogen. Davon auch betroffen: Das berühmteste Kaufhaus der Stadt.
In der sechsten Etage des KaDeWe steht die Zeit ein bisschen still. Wer nicht möchte, sieht nicht, wie draußen das Wetter ist und was die Menschen unten auf dem Wittenbergplatz umtreibt. Hier lassen sich die Kundinnen und Kunden vielmehr treiben. Sie flanieren oder taumeln, je nachdem, zwischen 35.000 verschiedenen Lebensmittel-Artikeln oder lassen sich an einer der Luxus-Theken nieder, wo ganzjährig Austern geschlürft, Kartoffeln gebraten oder teurer Alkohol eingeschenkt wird.
"Freitags um 13 Uhr sitze ich hier und trinke Champagner. Die Woche ist vorbei, das Wochenende steht vor der Tür und manchmal bleibe ich hier mit Freunden, bis das KaDeWe um acht schließt. Dann gehe ich um 21 Uhr noch mal zurück in die Galerie und arbeite", sagt eine Stammkundin, die aus Montreal vor fünf Jahren nach Berlin gezogen ist und Künstlermanagerin ist. "Das KaDeWe repräsentiert das Berliner Leben für mich. Es ist vielleicht nicht mein Zuhause, das wäre zu pompös, aber ist mein Berliner Zimmer."
Spiegelbild einer Stadt
Das KaDeWe ist für viele über Generationen hinaus ein Erinnerungsort. Zwischen grün-braunen Fliesen mit Blütenmustern und abgewetztem Boden aus Marmor weht ein Hauch des alten pelzummantelten Lebensgefühls der 1970er und 1980er Jahre.
"Wenn man ein Spiegelbild einer Stadt sein will, die sich verändert, aber selbst auf Veränderung verzichtet, wird das Spiegelbild verzerrt", sagt Store-Designer Norman Plattner. Deswegen wird jetzt umgebaut. Bis 2022 wird die die zweitgrößte Lebensmittelabteilung der Welt sukzessive und während des laufenden Betriebs verändert. Ein Spagat zwischen Zeitgeist und Tradition.
Sehnsucht nach dem alten West-Berlin
60 Prozent der Besucher im KaDeWe sind Berlinerinnen und Berliner. Hartmut Volmerhaus gehört nicht zu ihnen. Er findet, dass 32 Sorten Salami einfach zu viel sind. Der Wirt führt seit 1982 die Traditionskneipe Zwiebelfisch am Savignyplatz, nur anderthalb Kilometer vom Gourmettempel entfernt.
"In den 1980er-Jahren hatten alle in Westberlin ihre Grabstellen schon bestellt, es war alles so behütet. Es war ein ruhiges und beschauliches Leben."
Noch heute schwelgen seine Stammgäste in Erinnerungen und Sehnsüchten an das alte West-Berlin der Vorwendezeit. In den "wie schön war es ehedem"-Gesang seiner Kunden fällt der Wahlberliner aber nicht ein.
"Als ich noch jung war hieß es: 'Alles ist schlechter geworden nur eins ist besser geworden - die Moral ist schlechter geworden', und so ist es heute ja auch noch irgendwie."
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