Gestatten, Bestatter
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Leichenwäsche. Blumenschmuck. Trauerrede. So vielseitig wie die Arbeit in einem Bestattungsunternehmen sind auch die Anforderungen an die Mitarbeiter. Wer sind die Menschen, die sich täglich mit Tod und Trauer beschäftigen?
Ein kleiner gekachelter Raum, ein Seziertisch. Tobias Fay trägt über seinem weißen Hemd und der schwarzen Anzughose einen grünen Operationskittel. Er ist im "technischen Bereich" seines Bestattungsunternehmens tätig und macht die Arbeit, die früher die nächsten Angehörigen der Toten erledigten: Die Leichenwäsche, die letzte Pflege, das Anziehen für die Bestattung.
Fay pflegt mit viel Respekt und Ruhe, desinfiziert, wäscht, kämmt die Haare der Verstorbenen. Normalerweise, wenn kein Reporter dabei ist, schaltet er zur Ablenkung das Radio an für diese Arbeit. Manchmal muss er den Verstorbenen mit Nadel und Faden den Mund verschließen. Das tut er ungern. Er möchte jeden Toten wie einen Verwandten behandeln, dem er so etwas nicht antun möchte.
Bestatter sind Bürokraten
"Ich habe mir früher beim Praktikum vorgenommen, wenn ich drei Tage nicht von den Verstorbenen träume, dann ist das mein Job." Tobias Fay ist 28 Jahre und Bestatter in der norddeutschen Kleinstadt Wedel, im Bestattungsunternehmen Bade. Täglich hat er in seinem Beruf mit Tod und Trauer zu tun. Und er macht es gerne. Wie viele jüngere Bestatter ist Tobias Fay Quereinsteiger, früher war er Einzelhandelskaufmann. Er selbst hat in seinem Leben erfahren, wie gute Bestatter Trauerenden helfen können.
Auf Partys ist er Gesprächsthema Nummer eins, erzählt Fay. Einer nannte ihn mal "Der Gnadenlose". Dabei seien Bestatter nicht abgebrüht, man müsse sensibel sein, seriös, körperlich und physisch stark. Viele Klischees ranken sich um diesen Beruf, von der hageren Gestalt mit Frack und Zylinder über den leichenblassen Zyniker bis zum Freak. Aber Bestatter sind zunächst Bürokraten, sie erledigen für die Angehörigen unangenehme Formalitäten, bestellen Blumengestecke und Kuchen.
Vom Basketballer zum Bestatter
André Bade ist nach einer Karriere als Profi-Basketballer zurück ins Bestatter-Geschäft des Vaters gekehrt. Als Kind begleitete er ihn auf Beerdigungen, als Jugendlicher war ihm der Beruf manchmal peinlich: "Hoffentlich sieht mich jetzt keiner meiner Klassenkameraden im Bestattungsauto", ging ihm damals oft durch den Kopf. André Bade ist ein fröhlicher Mensch. Auf dem Friedhof scherzt er über die Tiefe des Urnengrabs. Dem Kunden gegenüber ist er aber immer höflich, zuvorkommend und zuverlässig. Sein Alltag bedeutet schließlich für jeden Betroffenen eine Ausnahmesituation.
Auch Louise Brown kam über Umwege ins Bestattungsunternehmen Bade. Früher Journalistin, schreibt sie inzwischen Trauerreden. Der Beruf hat sie verändert. Mehr Demut vor dem Leben habe sie jetzt, sagt sie im "Mikrokosmos"-Gespräch. Aber auch mehr Zuversicht. In den Trauergesprächen erfährt sie oft, wie Angehörigen auch nach dem Tod eines geliebten Menschen ihr eigenes Leben fortsetzen. Zwar wird der Tod in solchen Gesprächen thematisiert, sagt sie. "Aber wir reden ganz viel über das Leben."