Roter Stern, auswärts
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"Love Football, Hate Racism". Der Fußballverein Roter Stern Leipzig will Fußball und linke Politik verbinden. Mit seinem Kampf gegen Homophobie und Rassismus eckt der Klub an: Bei Auswärtsspielen schützt Polizei Fans und Spieler.
Beheimatet ist der Rote Stern Leipzig in Connewitz, einem linksalternatives Viertel im Süden der Stadt. Es gibt viele ehemals besetzte Häuser, die heute Wohnprojekte sind, ein buntes Straßenbild mit Punks und linken Kultur- und Veranstaltungszentren. Hier hat eine Handvoll junger Menschen - vor allem Studenten - 1999 den Roten Stern gegründet. Heute hat sich daraus einer der mitgliederstärksten Sportvereine Leipzigs entwickelt. Es gibt neben Fußball auch Basketball, Rollerderby, Badminton, Tischtennis. Die Liste der der Sportarten, die man hier treiben kann, ist lang.
Dabei versteht sich der Rote Stern auch als gesellschaftliches und kulturelles Projekt mit deutlichen politischen Ideen. Regelmäßig organisiert oder unterstützt der Verein Veranstaltungen: Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen oder Vorträge genauso wie Konzerte und Partys. Der RSL beteiligt sich häufig an Demonstrationen oder meldet sie gleich selbst an.
Aber der Sport, vor allem der Fußball, steht im Vordergrund. Es gibt Kinder- und Jugendmannschaften, Herren-, Damen- und Seniorenteams. Die erste Herrenmannschaft spielt Landesklasse Nord, siebte Liga. Bei Heimspielen kommen immer mehrere Hundert Fans, und auch zu Auswärtsspielen füllen die Anhänger einen ganzen Reisebus. Das ist einmalig in dieser Spielklasse.
Der Reporter begleitet den RSL zum ATSV "Frisch Auf" Wurzen. In eine Kleinstadt vor den Toren Leipzig, deren politisches Klima die RSL-Anhänger als "braun" beschreiben. In der Tat kommentieren die Wurzener Fans die Aktionen eines arabischstämmigen RSL-Spielers mit Affenlauten. Der Stadionsprecher mahnt zur Fairness. Den Leipzigern ist das nicht genug, sie fordern, die Betreffenden des Stadions zu verweisen. Im Nachhinein muss der ATSV Wurzen eine Geldstrafe von 750 Euro bezahlen.
Im Jahr 2009 wurde ein Roter-Stern-Anhänger in der Kleinstadt Brandis von Hooligans so schwer verletzt, dass er mehrere Tage auf der Intensivstation lag und seitdem auf einem Auge blind ist.
Jedes Auswärtsspiel des RSL gilt seither als Risikospiel. Das ist einmalig in der Landesliga.
Auch diesmal begleitet Polizei den Bus der Anhänger bis zum Spielfeld; die gastgebende Mannschaft muss ein Sicherheitskonzept erarbeiten und Ordner stellen. Das entspannt das Verhältnis zu den anderen Vereinen nicht, denn viele machen den RSL für den hohen Aufwand verantwortlich.
Die Sicherheitsvorkehrungen hindern den Mikrokosmos-Reporter auch, von einer Seite des Spielfelds auf die andere zu wechseln. Und so steht er in den Jubelrufen für die beiden Tore des RSL- und den Enttäuschungslauten, als das Spiel gegen Wurzen 3:2 verloren geht.
Früher sei der Rote Stern mit "deutlich mehr Punk-Attitüde" auch auf dem Platz aufgetreten, erfährt der Reporter - inzwischen habe man sich gemäßigt, um keine Gewalt zu provozieren.
Und, sagt ein Fan älteren Jahrgangs, man sei tatsächlich froh, "von der Polizei so gut beschützt zu werden".
Trotzdem beharrt der Rote Stern auf T-Shirts mit Aufschriften wie: "Nazis wegbolzen" oder "Bunte Liga"; die Spieler tragen Trikots mit dem Slogan "Kein Mensch ist illegal".
Schließlich führe ja auch die UEFA bei jedem Champions-League-Spiel eine Anti-Rassismus-Kampagne.
Der Sächsische Fußballverband hat eine Leitlinie ausgegeben, wonach politische Äußerungen in den Stadien zu unterlassen sind. Daraus hat sich eine lange und teilweise hitzige Diskussion zwischen dem Roten Stern und vielen Vereinen entwickelt, was denn nun politisch ist. Manch ein Verein hat bei Spielen gegen den RSL jegliches Fan-Material im Stadion verboten. Andere Vereine wollen selbst entscheiden, was politisch ist und was nicht, schließlich haben sie ja Hausrecht.
Da sei der Deutsche Fußballverband ein deutliches Stück weiter, erfährt der Reporter von Robert Claus. Er ist Soziologe und leitet die Kompetenzgruppe für Fankulturen & sportbezogene soziale Arbeit, KoFaS. Ein Wissenschaftlerteam, das Sportvereine in ganz Deutschland berät.