Buswracks, hochkant
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Drei kaputte Busse hochkant aufgestellt vor der Frauenkirche in Dresden: Mit seinem Kunstwerk "Monument" hat der deutsch-syrische Künstler Manaf Halbouni viel Aufsehen erregt. Im November 2017 baute er sein "Monument" vor dem Brandenburger Tor erneut auf.
Als Manaf Halbouni in Anspielung auf den syrischen Bürgerkrieg im Februar 2017 sein "Monument" aus drei hochkant stehenden Buswracks in Dresden aufrichten ließ, hat der deutsch-syrische Künstler damit einen regelrechten Furor entfesselt. Insbesondere die neurechte Pegida-Bewegung schrie, die Installation sei "entartet". Wegen des Standorts vor der Frauenkirche? Oder hat Halbouni den falschen Namen? Dabei war sein Großvater mütterlicherseits ein Dresdner, der im großen Bombardement des Zweiten Weltkriegs sein gesamtes Hab und Gut verlor.
Im November 2017 wurde das "Monument" im Rahmen des 3. Herbstsalons in Berlin wieder errichtet, direkt vor dem Brandenburger Tor. Welche Symbolik konnte das Monument im Herzen der deutschen Hauptstadt entfalten, in Sichtweite des Bundestages, und überhaupt sichtbar für die ganze Welt?
Der Plural von Kran heißt nicht Kräne
Der Mikrokosmos-Reporter umkreist 48 Stunden lang das Monument. Trifft zu nachtschlafender Zeit auf Security und Polizei, die die Baustelle sichern, auf die Fahrer der Sattelschlepper und die Kranführer. Kunst besteht nicht nur in Konzepten, Kunst wird gebaut. Aber was halten eigentlich diejenigen davon, die das Kunstwerk mit viel Fingerspitzengefühl errichten müssen? Der Reporter nimmt Teil an ihren Gesprächen vor Sonnenaufgang und muss lernen, dass der Plural von "Kran" nicht "Kräne" heißt.
Nach Sonnenaufgang kommen Fahrradfahrer vorbei, auf dem Weg zur Arbeit, oder Jogger, die einen kleinen Schulterblick riskieren. Ein Stadtindianer hat alles fest im Blick, und ein Fotograf versucht, sich von den Bussen ein adäquates Bild zu machen. Der Autokorso einer türkischen Hochzeit fährt vor, Braut und Bräutigam wollten eigentlich nur vor dem Brandenburger Tor posieren. Touristinnen verbreiten mit ihren Selfies die Bilder der Busse vor dem Brandenburger Tor in alle Welt.
Stehende Busse als Stolpersteine
Am späten Vormittag inspiziert der Künstler Manaf Halbouni die Baustelle und erzählt, wie aus einem Spiel mit Fotomontagen die Idee erwuchs, die Busse tatsächlich in die Realität zu montieren. Sein Professor von der Kunsthochschule in Dresden ist stolz auf seinen Meisterschüler, "think big", das habe er von ihm! Passanten schildern ihre Eindrücke, welche Bilder für sie hier im Kopf zusammenrauschen und wie diese monumentalen Stolpersteine jedes eindimensionale Weltbild erschüttern.
Am frühen Nachmittag, perfekt getimt zur Vollendung des Bildes, kommt auch Shermin Langhoff, die Intendantin des Gorki Theaters und lobt das Geschick der braven Kranführer. Der sogenannten "Kulturpolitik" der AfD hält sie entgegen, dass Künstler wie Manaf Halbouni und Konsorten die eigentliche "Alternative für Deutschland" sind.
"In Syrien war ich immer der Deutsche"
Manaf Halbouni: "Ganz am Anfang während des Aufbaus gab es ein kleines Twitter-Foto von Jens Meier, dem AfD-Abgeordneten, der jetzt im Bundestag sitzt. Mit Daumen runter halt, von wegen Terror-Denkmal, schämt euch, und so weiter. Wenn die AfD sich wirklich in Kunst engagieren will, dann sollen sie Stipendien ausschreiben und Künstler unterstützen. Je nachdem, was für ein Projekt das ist, würde ich mir sogar selber überlegen da mitzumachen. Das Thema 'Heimat' wäre zum Beispiel ein gemeinsamer Nenner. Seitdem ich 2008 von Damaskus nach Dresden gekommen bin und mein Studium hier aufgenommen habe, habe ich mich sehr oft mit dem Thema 'Heimat' beschäftigt. Mich haben die Gegensätze bewegt, die ich gelebt habe. In Syrien war ich immer der Deutsche, und als ich nach Dresden kam, war ich plötzlich der Syrer. Und da beginnt man sich Fragen zu stellen, wo ist Heimat, wie definiert man sie. Und wo will ich eigentlich am Ende hin."