Reihe

Drifting Away - Von Schlaf und Traum

Im Netz einer Kreuzspinne haben sich Wassertropfen gefangen
Schlaf und Traum verändern sich genauso, wie sich die Gesellschaft und die Kultur verändern. © imago / blickwinkel
Ohne Schlaf stirbt der Mensch. Trotzdem kann man bis heute nicht wirklich wissenschaftlich erklären, warum wir schlafen und träumen. In fünf Radiofeatures widmet sich "Freistil" der Zeit, in der der Mensch willenlos und unkontrolliert in ein Zwischenreich wegdriftet - oder es zumindest versucht.
"In tiefen Schlafes weiche Harmonie versank die Unrast wirrer Tagesstunden. Die Nacht singt ihre sanfte dunkelblaue Melodie, der Helle Vielfalt, der Geräusche Hasten ist verschwunden." - So dichtete die Schriftstellerin Irmgard Keun für ihren Geliebten Arnold Stauss in ihrem spät entdeckten Poem "Schlaf und Traum".
Der Mensch verschläft bekanntlich ein Drittel seines Lebens. Und Abertausende von Stunden träumt er, auch wenn er sich später nur an wenige Träume erinnern kann. Die Nachtseite der menschlichen Existenz hat immer schon Künstler und Forscher fasziniert. Und trotzdem kann man bis heute nicht wirklich wissenschaftlich erklären, warum wir schlafen und träumen. Wir wissen nur eines sicher: Schlaf ist ein Grundbedürfnis. Ohne Schlaf stirbt der Mensch.
Schlaf und Traum verändern sich genauso, wie sich die Gesellschaft und die Kultur verändern. Der moderne Mensch, dem zeitliche Flexibilität abverlangt wird, hat ein anderes Schlafverhalten als der Steinzeitmensch oder der mittelalterliche Bauer. Schlaf ist für manch gehetzten Zeitgenossen ein Stück Luxus geworden.
"Vertrauen in die Ewigkeit der Nacht lässt eine leise Welt der Schreckenlosigkeit erleben. Der liebe Gott hat sich den Schlaf aus Menschenliebe ausgedacht: Schlaf soll uns Ahnung künftigen Friedens geben." Irmgard Keuns Gedicht entstand vermutlich während des Zweiten Weltkriegs.
Fünfmal "Freistil" über Schlaf und Traum
In fünf Radiofeatures widmet sich "Freistil" der Zeit, in der der Mensch willenlos und unkontrolliert in ein Zwischenreich wegdriftet - oder es zumindest versucht. Raphael Smarzoch beschäftigt sich mit den "Dream Sounds", denen von Johannes Brahms, aber auch mit der Ambient-Schlafmusik von Robert Rich bis hin zu den Wiegenliedmaschinen der digitalen Medien, den Einschlafplaylists und Schlummerkasten-Apps.
Markus Metz beschreibt in seinem Stück "Von hellen und von dunklen Nächten" die Kunst des Schlafens, beschreibt unsere unausgeschlafene Gesellschaft und die Lust am Schlaf, der auch inspirierend sein kann. Ist der Grund für den von den Griechen der Antike hoch geschätzten Schlaf eine "Abkühlung des Herzens", wie es Aristoteles vermutete, oder dient er zum Abspeichern und Verarbeiten von Erinnerungen, wie heutige Wissenschaftler es erklären? Kurzschläfer Thomas Alva Edison war überzeugt, dass Schlaf faul und dumm mache und erfand: die Glühbirne.
Christoph Spittler begleitet die "Oneironauten", die im Schlaf Reisenden, in deren bewusst erlebte Klarträume und er folgt ihnen in Internetforen und luzide Youtube-Tutorials.
"Der Alp steckt seine Zunge den Leuten ins Maul" nennen Teresa Schomburg und Matthias Kaether ihr Stück über den grauenhaftesten aller Träume, den Alptraum. Eine Sendung über Dämonen, Tunnelfantasien und Freuds Traumdeutung.
Rolf Cantzen beschäftigt sich in "Alles schläft, einsam wacht" mit einer kleinen Kulturgeschichte der Schlaflosigkeit. Wenn der Schlaf der Bruder des Todes ist, dann bestehen zwischen Schlaflosigkeit und Leben wohl ähnlich enge Beziehungen. Somnologen und Schlafgestörte geben Auskunft. Nicht nur Kafka, auch viele andere Dichter und Denker schätzen gerade die schlaflose Zeit mit ihren querschießenden Gedanken, die wirken wie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet. Und sie leugnen gar die nächtliche "Regenerationsverpflichtung".
Und wie endet Irmgard Keuns Gedicht? "Denn des Lebens Tage durchblitzen grell die halb ersehnte Stille: Traum, du verfluchtes Nachtgewitter, du erwünschte Plage - Schlaf ohne dich ist Tod, Schlaf mit dir Lebenswille."