Street Art in Jordanien

Mehr Farbe für Amman

44:02 Minuten
Miramar Muh’d beim Gestalten ihres Kunstwerks.
Die Street Art Szene in Amman ist zwar klein, verändert die Stadt mit ihren Kunstwerken aber nachhaltig. © Julia Neumann / Deutschlandfunk
Von Julia Neumann |
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Eng gebaute, sandfarbene Häuser prägen das eintönige Stadtbild von Amman. Aber es wird immer bunter in der Hauptstadt Jordaniens. Denn junge Künstler verleihen den Hausfassaden ihre Handschrift. Welche Themen beschäftigen sie und wie weit dürfen sie mit ihrer Kunst gehen im konservativen Königreich?
Zwölf Meter über dem Boden, im Herzen Ammans mit Blick auf die alten Ruinen der Stadt, bringt Miramar Muh’d mit einem Malerpinsel altrosa Farbe auf der Wand auf. Die Hauswand, die sie bemalt, gehört nicht ihr. Miramar ist Street Artist – statt auf Leinwände, malt sie auf Hauswände.
Sie ist eine von knapp 20 Jordaniern, die mit ihren Kunstwerken die beige Stadt verschönern und neu beleben wollen. So auch die tristen Hauswände in dem Wohnviertel Hashmi. Einst ein Militärgelände, gibt es hier nun billigen Wohnraum für überwiegend palästinensische Geflüchtete.
"Die Regierung liebt uns"
Eine in schwarz-weiß gehaltene Frau mit langen Gewändern schaut bereits überlebensgroß von einer Wand herab. Diese Beduinin ist das Werk von Suhaib Attar. Er ist der älteste Sohn palästinensischer Eltern und in dem Viertel Hashmi aufgewachsen.
Während eine Frau und ein Mädchen aus dem Fenster zuschauen, wie Suhaib mit seinem Bruder den großen Kran an die Stelle navigiert, an der ein neues Wandgemälde, ein sogenanntes Mural, entstehen soll, kommen zwei Männer vorbei. Einer im Jogginganzug, der andere trägt eine Uniform und hohe Stiefel. Der Mann ist Polizist.
"Alles gut, das sind meine Freunde. Die Regierung liebt uns", sagt Suhaib und lacht. "Naja, fast. Früher mochten sie mich nicht so."
Suhaib erzählt, dass er Probleme mit der konservativ-religiösen Regierung bekam, als er begann, die Frau an die Hauswand zu malen:
"Die ersten zwei Tage haben sie mir das Leben schwer gemacht, weil ich überhaupt eine Frau gemalt habe. Also habe ich sie komplett nackt gemalt, um sie zu ärgern. Am letzten Tag habe ich sie dann angezogen. Jetzt ist sie eine Beduinin – und sie denken, das ist die Jungfrau Maria."
Suhaib arbeitet auch in dem westlichen, gentrifizierten Teil der Stadt. In dem Hipster-Viertel Weibdeh hat er einen Flamingo mit pinkfarbenen Mustern in seinem Körper, vor einem blauen Hintergrund auf eine Hauswand gemalt. Das Gemälde wurde zur Attraktion, die Straße in Flamingo Street umbenannt.
"Nicht jeder hat ein Recht auf Stadt"
An diesem Gemälde läuft Sara Nowar vorbei. Sie hat Architektur und Stadtplanung studiert. Im Stadtrundgang erklärt Sara, wie Straßenkunst den öffentlichen Raum verändert.
"Ich glaube, es steigert die Qualität der Straßen. Die Leute fühlen sich der Gegend mehr zugehörig. Auch wenn es wie hier nur eine Straße ist, nicht mal ein Platz, an dem Leute Zeit verbringen – es macht auch Spaß, an einem Kunstwerk vorbei zu gehen."

Denn in Amman gibt es keine öffentlichen Plätze und Parks, wo man sich mit Freunden trifft. Daher könnten nur Leute mit Geld die Stadt genießen, kritisiert Sara. Die Alternative seien Straßencafés – aber eine Limonade, Bier oder Shisha kosten Geld.
Suhaib Attar macht seit 2009 Street Art in Amman.
Suhaib Attar macht seit 2009 Street Art in Amman.© Julia Neumann / Deutschlandfunk
"Also, nicht jeder hat das Recht auf Stadt."
Laien als Kunstkritiker
Das deutsch-iranische Künstlerduo Sourati ist aus Mannheim nach Amman gekommen, um im Großformat auf eine Hausfassade zu malen. "Die Menschen sprechen mit uns über die Kunst", erzählt Mehrdad Zaeri. "Viele sagen, ich verstehe eigentlich nichts von Kunst und dann fangen sie an, wie ein Kunsthistoriker über die Kunst zu reden oder wie ein Kunsttheoretiker: über die Farben, über den Aufbau und was in der Ecke des Bildes passiert."
Das Künstlerduo freut sich vor allem über den Austausch mit jordanischen Künstlern und Anwohnern. Denn das Verständnis von Kunst im öffentlichen Raum sei doch sehr unterschiedlich.
Muath Isaeid organisiert seit 2012 einmal im Jahr für das Balad Theater in Amman das Street Art Festival Baladk (Dein Land). Dafür arbeitet er eng mit der Stadtverwaltung und den Anwohnern zusammen. Denn Street Art hat nur noch wenig mit dem ursprünglich illegalen Graffiti zu tun.
Zwar verliere die Kunst dadurch ihren rebellischen Charakter, aber Muath betont auch: "Legale Kunst ist nichts Schlechtes. Es ist einfach eine andere Art, Kunst zu machen." Um die Stadt zu verschönern, brauche es die legale Zusammenarbeit - "damit wir den Kran sechs Tage lang parken können, ohne dass jemand kommt und fragt, was wir hier eigentlich machen. Wäre das illegal, müsstest du alles so schnell wie möglich fertig machen und immer darauf gefasst sein, gleich wegzurennen."
Die Stadt schön zu gestalten, ist für Muath aber nur ein Aspekt der Straßenkunst. Ihm ist auch der soziale Aspekt der Wandmalereien wichtig:
"Die Gemeinschaft in Hashmi, in Ost-Amman, verkehrt nicht in den Kunst- und Kulturkreisen, die es im westlichen Teil der Stadt gibt. Und wenn sie ihren Raum öffnen, für Street Art, und damit Menschen aus anderen Stadtteilen zu sich einladen, ist das toll."
(Wiederholung vom 12.07.2019)