Kommunenführer Otto Muehl und der Umgang mit Täterkunst

Vater unser (1/2)

54:15 Minuten
Der österreichische Aktionskünstler Otto Mühl (M) und sein Vertrauter Bernd Stein betreten in Begleitung von zwei Polizisten den Verhandlungsraum, aufgenommen am 13.11.1991. Im Landesgericht Eisenstadt beginnt am 13.11.1991 die für drei Tage geplante Hauptverhandlung gegen den 66jährigen Aktionskünstler und Gründer der Kommune "Friedrichshof" bei Zurndorf, Otto Mühl, und dessen Vertrauten, den 43jährigen Bernd Stein. Dem umstrittenen Kommunenoberhaupt werden zahlreiche Sittlichkeits- und Rauschgiftdelikte sowie Zeugenbeeinflussung vorgeworfen.
Der österreichische Aktionskünstler Otto Muehl und sein Vertrauter Bernd Stein betreten in Begleitung von zwei Polizisten einen Verhandlungsraum im Landesgericht Eisenstadt, aufgenommen am 13.11.1991 © picture-alliance / dpa / APA
Von Sebastian Meissner |
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Die Kommune sollte ein Ort der Befreiung werden. Am Ende wurde ihr Gründer, der Wiener Aktionskünstler Otto Muehl, für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verurteilt. Das zweiteilige Feature fragt nach dem richtigen Umgang mit seiner Kunst.
Otto Muehl hat gemalt, Filme und Fotos von seinen Kunstaktionen anfertigen lassen und eine totalitär auf ihn ausgerichtete Kommune erschaffen, an der weit über tausend Menschen partizipiert haben. Kinder und Heranwachsende wurden dort psychisch und physisch missbraucht. Muehl glaubte, mit seiner Kommune das „erste lebendige Kunstwerk der Welt“ erschaffen zu haben. „Ich mache eine höhere Kunst, die Kunst des Lebens.“ Er wollte Sex-Champion, Therapeut und Systemsprenger der bürgerlichen Moral sein.
Muehl hat sieben Jahre im Gefängnis verbracht und gründete 1998 nach seiner Haftentlassung eine neue Kommune in der Nähe der Algarve in Portugal, wo er zum wiederholten Male missbräuchlich wurde – diesmal jedoch ohne juristische Folgen. Heute wird er neben Günther Brus, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler zu den vier zentralen Wiener Aktionisten gezählt und gilt als Exportschlager und wichtigster Repräsentant der österreichischen Nachkriegs-Avantgarde – für einige zumindest.
Das Feature setzt sich mit Fragen darüber auseinander, wie heute mit der Kunst von Otto Muehl umgegangen werden sollte. Kann man das Werk und das Leben dieses Künstlers trennen? Was geschieht, wenn Verbrechen zum Teil der Kunst werden? 
Während seiner umfassenden Recherche hat sich der Autor Sebastian Meissner auch mit einer geplanten Werkschau des Zentrums für Politische Schönheit am Friedrichshof beschäftigt – in diesem Feature.

Vater unser (1/2)
Otto Muehl und der Umgang mit Täterkunst
Von Sebastian Meissner
Ton und Regie: der Autor
Mit: Bernhard Schütz, Anjorka Strechel, Rudolf Mooshammer
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2023
Länge: 54'08
Eine Wiederholung vom 07.02.2023

Teil 2 am 4. Juni 22.03 Uhr, Deutschlandfunk Kultur, Feature

Sebastian Meissner, geboren 1969 im polnischen Częstochowa, studierte Pädagogik und Soziologie. Er schreibt Features und Hörspiele, ist Regisseur und Komponist, realisiert Bühnenproduktionen, Filmsoundtracks und Klanginstallationen. Stücke u.a.: „Vodou-Ikone – Die schwarze Madonna von Częstochowa zwischen Polen und Haiti“ (Deutschlandfunk Kultur/WDR 2017), „Ukropolis“ (WDR 2023), „Kanak Klass Delüxe“, ein Kurzfeature für die Reihe „Feature-Antenne“, und zuletzt zum Komplex Otto Muehl: „Zentrum für Politische Schönheit & Otto Muehl: Werkschau am Täterort“ (Deutschlandfunk Kultur 2022).

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