Web-Videoserie und Kreativbauernhof

Zu Gast im Kliemannsland

43:49 Minuten
Eine grüne Scheune in Rüspel, darauf steht in großen Buchstaben: "Kliemannsland"
"Die Schleuse" - so nennen die Kliemannsländer das Eingangstor zu ihrem Hof © Kolja Unger / Deutschlandradio
Von Kolja Unger |
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Heimwerkerkönig Fynn Kliemann baut einen Skateboardhalter oder sprengt einen gigantischen Pyrotechnik-Penis in die Luft. Utopisten, Heimwerker und Kreative sind eingeladen, ihre Träume im Kliemannsland zu verwirklichen. Alles wird gefilmt und online gestellt. Aber wie sieht es dort abseits der Kameras aus?
Seit vier Jahren tummelt sich Fynn Kliemann nun als dilettantischer Heimwerker auf YouTube. Seitdem ist seine Fangemeinde rasant gewachsen. Zusätzlich zu seinem privaten Video-Kanal ist die Web-Videoserie "Kliemannsland" entstanden. Regelmäßig wird eine Folge auf der Online-Plattform FUNK veröffentlicht. Dem öffentlich-rechtlichen Medienangebot für junge Menschen.
Fynn Kliemanns Markenzeichen sind seine charmante Art, eine große Klappe, unbeholfene Heimwerkerversuche und eine Portion Abenteuerlust, die ansteckt.
Ein Abenteuerspielplatz in der Pampa
Das Kliemannsland ist aber nicht nur eine Webserie, sondern auch ein realer Ort in Norddeutschland. Zusammen mit seiner Produktionsfirma hat Fynn Kliemann einen alten Reiterhof auf dem Land zwischen Bremen und Hamburg gekauft und ihn zur Spielwiese für Kreative umfunktioniert.
Bunte Bauwagen im Kliemannsland
Im Kliemannsland können sich Kreative mit Tatendrang ausleben© Deutschlandradio / Kolja Unger
Hier liefern sich große Jungs Schweißduelle und fahren auf selbstgebauten Fahrzeugen Wettrennen über den Acker. Online erweitert sich der reale Ort auf 50.000 digitale Bürgerinnen und Bürger, die das Kliemannsland mitgestalten können. Manche von ihnen kommen auch zu Besuch. Wie letztes Jahr, als 15.000 Gäste über ein Wochenende verteilt zum Weihnachtsmarkt im Kliemannsland strömten.
Eine besondere Gemeinschaft
Das reale Kliemannsland ist Lebensraum und Abenteuerspielpatz für junge kreative Heimwerker und Utopisten. Sie leben in der Bauernhof-WG oder quartieren sich nur für einige Tage dort ein. Kliemann nennt das "eine Familie, die Grundlage für alles hier".
Zu den "Familienmitgliedern" gehört auch Jonas Pfeifer, der Gärtner. Er hat seine Ausbildung in einem Demeter-Betrieb im 30 Kilometer entfernten Quelkhorn gemacht. Er liebt die Freiheit, die seine Arbeit im Kliemannsland mit sich bringt.
"Ich bin hier festangestellt. Für den Garten und die Videos. Ich kann hauptverantwortlich entscheiden, was ich hier anbaue, wie ich das anbaue, auch in welchen Mengen. Ich spreche mich da mit dem ganzen Team und speziell mit Zora ab, die ja die Kochkurse macht.
Schild mit der Aufschrift: Kliemannsland DAS CAFÉ
Das Kliemannsland beherbergt auch ein Café - das einzige weit und breit© Deutschlandradio / Kolja Unger
In der neuen Großküche steht Zora Klipp. In einem der letzten Videos hat sie hier selbst Fliesen verlegt. Jetzt bereitet sie alles für einen vegetarischen Kochkurs vor sowie das Catering für den anstehenden Video-Dreh.
"Wir haben alle denselben Spirit. Hier kann man so sein, wie man möchte. Der eine kann kochen, der anderen kann schweißen, der andere kann Videos schneiden. Dieses kreative, einfache Dasein verbindet uns."
Doch auch wenn sie die Gemeinschaft schätzt, hat sie sich dennoch entschieden, vom Land in die Großstadt zu ziehen. Denn außerhalb des Kliemannsland-Kosmos sei nicht viel los in der Gegend, wodurch sie sich doch sehr eingeschränkt fühle.
Annika dagegen kommt aus der Umgebung und hat das Kliemannsland durch ihren Sohn kennengelernt. Aus ihrem anfänglich ehrenamtlichen Engagement ist ein Job als Putzhilfe geworden. Ihrer Einschätzung nach ist trotz der chaotischen Experimente von Fynn Kliemann und der vielen Gäste das Verhältnis zu den Nachbarn gut:
"Wenn hier eine Großveranstaltung ist, geht ein Rundschreiben rum im Dorf. Dann kriegt jeder einen Zettel in seinen Briefkasten und die Einwohner melden sich teilweise schon von alleine und sagen: ‚Hier mein Feld kannst du als Parkplatz nutzen. Wo braucht ihr noch Hilfe?‘ Das ganze Dorf ist dann mit auf den Beinen."
Klassische Jungenträume
Locker geht es auch bei den Video-Drehs zu. Fast schon improvisiert. Es werden WG-Angelegenheiten besprochen, während die Protagonisten Fynn und Brian Mikrofone angesteckt bekommen. Heute soll eine Garderobe mit Skateboardhalterung gebaut werden.
Im alten Pferdestallt sammeln Fynn und Brian Schrott zusammen und begeben sich in die Werkstatt. Dort wird geschweißt, gesägt, gehämmert. Zwischendurch klopfen die beiden coole Sprüche und messen ihr Können in "Battles". Zum Beispiel, wer am schnellsten Löcher in Stuhllehnen, die zu Kleiderbügeln umfunktioniert werden, bohrt.
Ein Mann beim Schweißen in der Werkstatt
In den Videos wird viel geschweißt - weil es spektakulär aussieht© Deutschlandradio / Kolja Unger
Trotz allem Spaß hat Fynn Kliemann aber auch genaue Vorstellungen, wie die Videos später aussehen sollen, und gibt Anweisungen an sein Team hinter der Kamera. Gefragt, was er mit den Videos vermitteln möchte, antwortet er lapidar: "Ich bin einfach ich." Der Kumpel vom Dorf, mit dem man etwas bauen kann, Witze und Quatsch machen kann. Klassische Jungenträume: mit großen gefährlichen Maschinen hantieren und was ausprobieren, sich selbst testen, kreativ sein.
Fynn Kliemann neben seiner selbstgebauten Garderobe
Diesmal hat Fynn Kliemann eine Garderobe mit Skateboardhalterung gebaut© Deutschlandradio / Kolja Unger
Einfach machen. Dieses Motto verkörpert Fynn Kliemann für seine Fans und Mitstreiter vor Ort und im Netz. Und der selbsternannte Heimwerkerking fordert alle auf, es ihm gleichzutun:
"Es gibt hier keine Grenzen. Egal, wer hier herkommt, wer mit einer Idee kommt, hier etwas realisieren möchte, dem helfen wir. Alle, die hier leben, arbeiten, Social Media betreuen oder Redakteure geworden sind, stammen aus der Community. Egal, wo du herkommst, ob du eine Behinderung hast oder nicht, ist doch scheißegal, komm doch einfach vorbei."
Die Zukunft des Fernsehens
Genau diese Botschaft ist auch für Philipp Schild der Kern der Web-Videoserie. Er ist der Programmverantwortliche von FUNK. "Das Kliemannsland ist ein gutes Beispiel dafür, wie man einen gemeinschaftlichen Ideenwettbewerb in ein Ergebnis führen kann", sagt er im Interview.
Die digitale Plattform FUNK, ein öffentlich-rechtliches Angebot von ARD und ZDF, verbreitet ihre Inhalte auch über externe Anbieter. Die Serie "Kliemannsland" etwa wird hauptsächlich auf YouTube geschaut. Andere Serien wie die fiktive Gymnasiasten-Soap "Druck" hat FUNK von Anfang an für Whats-App und Instagram entwickeln lassen.
Das verändert auch die Arbeitsweise in der Redaktion, erklärt Philipp Schild.
"Bei der Entwicklung von Formaten für Social Media Plattformen bekommt man vom Tag der Veröffentlichung an Feedback und auch an den Nutzungsdaten kann man sofort ablesen, ob ein Format funktioniert. Das ist eine super Basis, um das Programm auch fortwährend weiterzuentwickeln. Wir müssen als Öffentlich-Rechtliche in Zukunft zusehen, dass wir mit den Zielgruppen, die wir uns wünschen, in Kontakt sind und das heißt auch: in den Medien präsent sind, die sie nutzen."
Er plädiert dafür, dass auch andere öffentlich-rechtliche Sender, deren Zielgruppe älter ist, sich für diese Art des Medienkonsums öffnet. Damit könnten noch viel mehr Menschen erreicht werden.
(Wiederholung vom 17.05.2019)
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