Reihe: Wirklichkeit im Radio
Wenn wir an lauen Sommerabenden alle gemeinsam im Hof gesessen haben, war es schön
Von Renke Korn
Regie: der Autor
Produktion: RB 1986
Länge: 100'51
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Reihe: Wirklichkeit im Radio
Landkommune - was für die Großstädter mit Begeisterung begann, scheiterte nach drei jahren. © Unsplash / Gokhan Polat
Wenn wir an lauen Sommerabenden alle gemeinsam im Hof gesessen haben, war es schön
Eine Gruppe sozial bewegter Städter will die Utopie leben und gründet eine Landkommune. Wenige Jahre später sind sie bis ins Mark zerstritten. Das O-Ton-Hörspiel zeichnet den Prozess Stück für Stück nach.
"Zurück zur Natur" war eine der Parolen, die nach dem Scheitern der Studenten-Revolte in den Städten ausgegeben wurden. Auf dem Lande sich selbst verwirklichen, das sozialistische Experiment im kleinen Kreise realisieren, das versuchten etliche. Die meisten scheiterten. "Wenn wir an lauen Sommerabenden" erzählt in kontrapunktisch montierten Originaltönen von einem dieser Versuche eines alternativen Lebens.
Renke Korn:
"Seit Jahren kannte ich Gabi T. und wußte von ihrem großen Problem: Ihr Freund Bernd war aus Berlin weggezogen und Mitglied einer Landkommune geworden, die einen alten Bauernhof in der Nähe von Coburg gekauft hatte. Anfangs war sie einige Male mit ihm dort gewesen, und man hatte sie bedrängt, ebenfalls in die Gemeinschaft dieser Stadtflüchtlinge einzutreten. Sie hatte sich dagegen entschieden. Sie traute dem Idyll nicht und auch nicht dem Traum dieser sieben Optimisten dort, die glaubten, in einer kleinen abgesteckten Welt die großartige sozialistische Idee realisieren zu können, die nahebei von der DDR ständig in einen schlechten Ruf gebracht wurde.
Wie viele Großstädter latent sehnsüchtig nach der Anti-Zivilisation, fasziniert von radikalen Entscheidungen (und ihnen gegenüber dennoch immer skeptisch), bewunderte ich diese Kommunarden und konnte gleichzeitig Gabis Problem gut nachempfinden, und sie und ich, wir fühlten uns bestätigt und waren dennoch traurig, als wir schließlich nach drei Jahren hörten, daß das Experiment gescheitert war. Es war zu Schlägereien gekommen, zwei Frauen hatten die Gemeinschaft verlassen, forderten immense Auszahlungssummen und betrieben die Zwangsversteigerung des Hofes.
Ich packte mein Tonbandgerät und meine Mikrofone ein und fuhr hin. Mir schien, dort war konkret die Frage beantwortet worden, ob die melancholische Vermutung richtig ist, daß der Mensch für den Sozialismus nicht geeignet ist (oder umgekehrt) und ihn auch der Rückzug ins ländliche Idyll nicht friedfertiger und altruistischer macht.
Um die dialektische Spannung meines geplanten O-Ton-Hörstücks brauchte ich mir nicht die geringste Sorge zu machen. Aus Träumern waren bitter Enttäuschte geworden, aus Freunden Feinde, aus Zuneigung Haß, es hagelte Beleidigungen und Schuldvorwürfe, und mit einer Intensität wie nie zuvor und danach konnte ich spüren, wie unterschiedlich Menschen dieselbe Geschichte erleben und bewerten können.
Mir ist in der dortigen Atmosphäre manchmal fast übel geworden von soviel Verbitterung und Feindseligkeit, und mein Menschenbild war wohl noch nie so schlecht wie zu jener Zeit. Und ich zog mich an den Haaren aus dem Sumpf, als ich den Satz eines der gescheiterten Kommunarden an den Schluß des Hörstücks setzte und mit friedvoller Musik unterlegte: ‚Aber der Traum, gemeinsam mit anderen Menschen zu leben und gemeinsam etwas zu machen, dieser Traum lebt weiterhin in mir.’"