Menschen. Bauen. Tiere
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In zoologischen Gärten verschwinden die Gebäude. Kunstfelsen und Elektrozaun haben Eisenstäbe, Fliesenwände und Betongräben ersetzt. Der Trend hat auch einen Namen: Immersion. Wie verändern die vermeintlich naturnahen Gehege unsere Sicht auf die Tiere?
Axel Kästner steht mit einer Schulklasse vor dem Schneeleopardengehege. Hier, wo man sich fast im Altaigebirge wähnt, wäre man nicht im Leipziger Zoo, rezitiert der Zoopädagoge Rilkes "Panther". Gitterstäbe sieht man in den meisten Zoologischen Gärten nicht mehr, ebenso wenig wie abwaschbare Fliesen. Ein Gehege ist heute ganz "natürlich". Doch dieser Blick trügt. Denn hinter den Kulissen gibt es Käfige wie eh und je.
"Den Tieren ist das egal, solange sie artgerecht gehalten sind", sagte Thomas Günther, Bereichsleiter Asien. Der Leipziger Zoo verfolgt seit der Jahrtausendwende einen Masterplan hin zu verlandschaftlichten, teils "immersiven" Gehegen. Viele Bereiche sind schon neu entstanden, etwa die weltgrößte Primatenanlage Pongoland, oder die Kiwara-Savanne mit Steppentieren vom Löwen übers Nashorn bis zu den Zebras. Der Besucher spaziert auf einem höhergelegenen Steg und blickt von der Lodge in die Weite des sich scheinbar nahtlos anschließenden Auenwalds.
Stammgäste wie Ina Kühn kennen ihre Lieblingstiere mit Namen und sprechen über sie wie über Menschen. Bei Frau Kühn sind es die Elefanten. Im Ganesha-Tempel liefert die Elefantenkuh auch noch eine kleine Zirkusnummer, bevor sie ins Bad steigt. Die Rentnerin schwärmt: "Die liebe ich schon von Anfang an." Sind Zootiere überhaupt Wildtiere? Einerseits soll der Besucher sie in ihrem natürlichen Habitat erleben. Andererseits werden sie zum Überleben in diesem künstlichen Umfeld trainiert.
Im Boot durch den Regenwald
Aus den Lautsprechern ertönt eine Stimme. Der Erzähler führt den Besucher auf einer dunklen Bootsfahrt von der Entstehung der Kontinente in die Gegenwart. Dann öffnet sich ein Tor, es wird es hell, Vögel zwitschern. Herzlich willkommen in Gondwana-Land! "Wir nehmen die Menschen mit auf ihre eigene Expedition durch den Regenwald", sagt Zoodirektor Jörg Junhold. Am Ufer hinter Bäumen liegt ein Autowrack. Die Szenerie hat etwas von einem Filmsetting.
2006 hat der Zoo diese Tropenhalle für 70 Millionen Euro gebaut und seither seine Besucherzahl verdreifacht. Man kann Gondwana-Land auch zu Fuß über Hängebrücken und auf gewundenen Pfaden erkunden, direkt über einem springt das Totenkopfäffchen. Mit den landläufigen Vorstellungen von "Gehege" hat das nicht mehr viel zu tun. Die Fachleute im Freizeitbereich nennen das "Thematisierung", und das funktioniert, sagt der Zoodirektor. "Der Mensch lässt sich auf diese Täuschung ein, entschwindet dem Alltag und empfindet das dann als Urlaub."
Längst ist Gondwana-Land zur Marke in Leipzig geworden. Natascha Meuser, Professorin für Raumplanung mit Forschungsschwerpunkt Zooarchitektur an der Fachhochschule Anhalt, empfindet diese Art von Erlebnisarchitektur im Zoo hingegen als unehrlich: "Auch wenn man es nicht mehr sieht, bleibt der Zoo doch ein Gefängnis", sagt sie. Heutzutage würden die Grenzen zwischen Mensch und Tier ästhetisiert, um dem Besucher ein gutes Gefühl zu vermitteln. "Ich nenne es 'Hartz IV für Tiere'. Es geht ihnen gut. Trotzdem ist es ein inszenierter Komfortbereich."